Wer hat das „Recht zur Totenfürsorge“?

Der Streit um die „Totenfürsorge“ (siehe dazu bereits den Blog vom 12.06.2015) ist für Außenstehende eigentlich kaum nachvollziehbar, erfreut sich aber offenbar zunehmender Beliebtheit.

Im Wesentlichen drehen sich die Konflikte thematisch um die Frage, wie mit einem Leichnam konkret zu verfahren und wie die Bestattung zu gestalten ist, vor allem aber, wer hier überhaupt berechtigt sein soll, Anordnungen zu treffen, soferne dazu jeweils keine Bestattungsverfügung vorliegt (siehe www.bestattungsverfügung.com).

Nicht selten fühlen sich nämlich „verstoßene Kinder“ (aus erster Ehe), enterbte oder in anderer Weise emotional und finanziell zurückgesetzte Angehörige im Anschluss an die Trauerfeierlichkeiten plötzlich berufen, die angeblich sagenhafte Unlauterkeit jener kritisierend ins Rampenlicht zu rücken, denen der/die Verstorbene zu Lebzeiten das größte Vertrauen entgegengebracht und deshalb auch die Abwicklung des letzten Weges überantwortet hatte.

Ein derartiger Fall lag wohl der jüngst ergangenen Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.06.2018,
6 O 1949/18, zugrunde (die enterbte Tochter klagte ihren Bruder und Alleinerben auf Zustimmung zur Umbettung des Leichnams der verstorbenen Mutter samt Kostentragung). In eingehender Abwägung der dazu in Deutschland vorliegenden Judikatur und Literatur wurde Folgendes klargestellt:

„… das Recht zur Totenfürsorge – welches auch eine entsprechende Pflicht beinhaltet (…) – [steht] in erster Linie dem- oder denjenigen zu, den/die der Verstorbene mit den Angelegenheiten der Bestattung (ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten) betraut. Diese Aufgabenzuweisung ist losgelöst vom Erbrecht i.S.d. §§ 1922 ff. BGB und muss nicht in den Formen, die für Verfügungen von Todes wegen vorgegeben sind, erfolgen; der Betraute muss auch nicht dem Kreis der engen Angehörigen entspringen (…).

Bestimmt der Verstorbene niemanden, sind gewohnheitsrechtlich die Angehörigen entsprechend ihrer familiären Nähe zum Verstorbenen für die Totenfürsorge zuständig.

Der für die Totenfürsorge Zuständige hat bei der Wahl von Bestattungsart und -ort die Wünsche des Verstorbenen strikt zu beachten; der Wille des Verstorbenen geht seinen Vorstellungen und Entscheidungen vor. Eine im Widerspruch zum Willen des Verstorbenen stehende Art und Weise oder Ort der Bestattung rechtfertigt daher auch ausnahmsweise, das generell gegebene Interesse der Totenruhe hintanstehen zu lassen und eine spätere Umbettung des Leichnams bzw. der Urne vorzunehmen (…).“

Diese vom Primat der Selbstbestimmung geprägte Rechtslage in Deutschland entspricht weitestgehend auch jener in Österreich, die der Oberste Gerichtshof beispielsweise in seiner Entscheidung vom 30.08.2016, 1 Ob 116/16i, Zak 2016/670, 354, folgendermaßen zusammengefasst hat (weiterführend siehe Blog vom 04.11.2016):

„Zur Frage der Verfügungsberechtigung über einen Leichnam hat der Oberste Gerichtshof – ganz generell – ausgesprochen, dass über das Schicksal des Leichnams im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten aufgrund eines über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechts (§ 16 ABGB) die betroffene Person selbst entscheidet. Primär ist der Wille des Verstorbenen zu respektieren, soweit dies mit den bestehenden öffentlich rechtlichen Vorschriften vereinbar ist.

Der Wille braucht nicht in einer bestimmten Form kundgetan worden zu sein, sondern kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 914 ABGB auch aus den Umständen gefolgert oder hypothetisch ermittelt werden.

Nur soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt oder dieser aus öffentlich rechtlichen Gründen undurchführbar ist, haben die nächsten Angehörigen des Verstorbenen ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung das Recht, über den Leichnam – ebenfalls im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten – zu bestimmen.“




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