Wer „aus reiner Liebe und Zuneigung“ pflegt, verliert Entgeltanspruch!

Wir haben uns daran gewöhnt, dass sich um das Thema Pflege im Bedarfsfalle schon irgendjemand kümmern wird.

Speziell in der Angehörigenpflege wird dann aus Pietätsgründen oder schlicht aus Unbedarftheit über die Frage einer angemessenen Entlohnung nicht gesprochen, geschweige denn, eine ordentliche Abmachung dazu getroffen.

Wie bedeutsam das wäre und welch fatale Folgen Vertrauen auf innerfamiliäre Fairness haben kann, zeigt einmal mehr die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17.01.2023, 2 Ob 217/22h, RZ 2023/7, 115 (Spenling) = EvBl 2023/139, 486 (Isola) = Zak 2023/123, 77 = Meissel, NZ 2023/62, 176 = NZ 2023/69, 195 – NZ 2023,195 = EF‑Z 2023/72, 167 (Herndl).

Die Streitteile dieses Prozesses sind Schwestern und je zur Hälfte Erbinnen ihres am 15.02.2017 verstorbenen Vaters. Seit 2008 wurde er von ihnen abwechselnd betreut und gepflegt, ab Ende September 2013 nur noch von der Klägerin allein. Danach kam es zu keinen Leistungen der Beklagten mehr. Zwischen dem Vater und seinen beiden Töchtern war im Zusammenhang mit den Pflege‑ und Betreuungsleistungen keine Unentgeltlichkeit vereinbart.

Die Klägerin begehrte von ihrer Schwester und Miterbin 68.830 EUR als Ersatz für die Hälfte ihrer Pflegeleistungen seit September 2013. Dem hielt die Beklagte die Hälfte ihres Betreuungsaufwands für den Zeitraum Jänner 2008 bis September 2013 in Höhe von 30.333 EUR entgegen.

Sie argumentierte, der verstorbene Vater respektive seine Verlassenschaft sei durch ihre Leistungen ungerechtfertigt bereichert und sie habe die Pflege‑ und Betreuungsleistungen unter anderem in Erwartung einer Gegenleistung erbracht. Darüber hinaus liege eine Geschäftsführung ohne Auftrag vor, weil die Pflegeleistungen der Beklagten zum klaren und überwiegenden Vorteil des Vaters erfolgt seien. Diesem wäre dadurch eine Fremdpflege und die Heimunterbringung erspart geblieben.

Der Oberste Gerichtshof verneinte hingegen die Berechtigung der Beklagten, den klagsgegenständlichen Entgeltanspruch ihrer Schwester gleichermaßen in Folge eigener Pflegeleistung im Aufrechnungswege zu reduzieren.

Auf Bestimmungen über das Pflegevermächtnis könne sie sich nicht stützen, weil sie ihren Vater ja in den letzten drei Jahren vor seinem Tod nicht mehr gepflegt hatte, wie dies die gesetzlichen Regelungen voraussetzen.

Anspruchsgrundlagen außerhalb des Erbrechts lägen im Gegenstand ebenfalls nicht vor.

In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass einem Pflegenden ein Bereicherungsanspruch dann zustehen könne, wenn Pflegeleistungen in der zumindest erkennbaren (aber enttäuschten) Erwartung einer Gegenleistung, meist einer letztwilligen Zuwendung, erbracht wurden. Vorliegend stehe allerdings ausdrücklich fest, dass die Beklagte „sämtliche Leistungen aus Liebe und zur Unterstützung ihres Vaters erbracht (hat), sie hat aber nicht in Erwartung einer Gegenleistung gehandelt. Weder die Pflegeleistungen, noch sonstige Unterstützung verfolgten einen in die Zukunft liegenden konkreten Zweck in Form einer erwarteten konkreten Gegenleistung. Vielmehr erfolgten sie aus familiärer und sittlicher Verpflichtung und Zuneigung zu ihrem Vater.

Weil aber gerade das Vorliegen einer Erwartung, die enttäuscht wurde, für einen Bereicherungsanspruch zu verlangen sei, könne die Gegenforderung der Beklagten nicht auf eine bereicherungsrechtliche Grundlage gestellt werden.

Ebenso wenig liege eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Beklagte vor, da sie bei der Pflege nicht eigenmächtig, sondern vielmehr (zumindest schlüssig) im Einvernehmen mit dem Vater gehandelt habe. Dass sich der Vater in einem Zustand befunden habe, in dem er nicht in der Lage gewesen wäre, über die Annahme der Leistung zu entscheiden, sei weder behauptet, noch von den Vorinstanzen festgestellt worden. Vielmehr hätte die Beklagte – bezugnehmend auf die Zeit bis September 2013 – ausdrücklich vorgebracht, der Vater habe nicht in das Pflegeheim gewollt; es sei ihm wichtig gewesen, dass sich beide Töchter um ihn kümmern.

Zusammenfassend könne die Beklagte deshalb weder aus dem Bereicherungsrecht noch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag Ansprüche ableiten.

Im Endeffekt wurden also einer der beiden Schwestern die Pflegeleistungen abgegolten, während die andere im sprichwörtlichen Sinne leer ausging.

Es darf angenommen werden, dass dieses Ergebnis weder vom pflegebedürftigen Vater, noch von den Geschwistern ursprünglich geplant oder gewünscht war. Wie so oft in derart gelagerten Fällen hätte eine klare Regelung zu Lebzeiten allen Beteiligten viel Ärger und vermeidbare Prozesskosten erspart.

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