Heißt 24 Stunden Betreuung 24 Stunden Bezahlung?

In einem damals medial Aufsehen erregenden, seither nur noch in Fachkreisen beachteten Erkenntnis vom 24.06.2021 (5 AZR 505/20) hat das deutsche Bundesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf unionsrechtliche Rahmenbedingungen klargestellt, dass nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte Anspruch auf den deutschen gesetzlichen Mindestlohn nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für geleistete Bereitschaftsdienste haben.

Mit anderen Worten:

Wer seiner als Arbeitnehmerin zu qualifizierenden Betreuerin ein Babyfon auf das Nachtkästchen stellt, damit sie rund um die Uhr, also selbst in Schlaf- und in Ruhephasen verfügbar bleibt, muss an sich auch 24 Stunden dafür bezahlen.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen deutschem und österreichischem Recht, aber die grundsätzliche Ausrichtung ist vergleichbar und der unionsrechtliche Rahmen hier wie dort ohnedies derselbe.

Auch ist stets zu unterscheiden, ob die Betreuungsleistungen auf selbständiger oder auf unselbständiger Basis erbracht werden, zumal die Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts einen rein arbeitsrechtlichen Hintergrund hatte.

Wer allerdings die Praxis und den üblichen Alltag von in Österreich tätigen „24-Stunden-Betreuer*innen“ einigermaßen kennt, weiß um die tendenziell ausufernde Vereinnahmung dieser „systemrelevanten Arbeitskräfte“ (an die Covid-19-Pandemie sei erinnert) durch die Betreuungsbedürftigen und meistens auch noch ihrer Familien in räumlicher, zeitlicher und organisatorischer Hinsicht, sodass in vielen Fällen von „unternehmerischen Freiheiten“ keine Rede und folglich von einem Arbeitsvertragsverhältnis auszugehen sein wird.

Im Konfliktfall kann das geradezu existenzbedrohende Auswirkungen in finanzieller, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nach sich ziehen, weswegen allen Betreuungsbedürftigen eine Prüfung und erforderlichenfalls eine inhaltliche Nachjustierung ihrer bestehenden Fremdbetreuungsverhältnisse anzuraten ist.

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Foto und Fotobearbeitung: Lina Eibl, © Copyright 2023