Das teure Kommando in der 24-Stunden-Betreuung

Seit 01. Juli 2007 ist in Österreich das Hausbetreuungsgesetz in Kraft, dessen Kern im Gleichklang mit der Gewerbeordnung darin besteht, die Betreuung vor Ort auch in Form einer „selbständigen Erwerbstätigkeit“ zu legalisieren.

Natürlich erfolgt seither die Personenbetreuung hauptsächlich „auf selbständiger Basis“, weil dadurch für die vorwiegend aus fernen Ländern und prekären finanziellen Verhältnissen stammenden Betreuer*innen jedweder arbeitsrechtliche Schutz entfällt, etwa bezogen auf Arbeitszeitbeschränkungen, Urlaubs-, Sonderzahlungs-, Krankenstandfortzahlungs- und Mindestentgeltansprüche etc.

Für betreuungsbedürftige Menschen und ihre Familien stellt diese Variante meistens auch die einzige leistbareForm einer Fremdbetreuung im eigenen Haushalt dar.

Allerdings stehen derlei Konstruktionen in rechtlicher Hinsicht oft auf eher wackeligen Beinen. Die Abgrenzung zwischen „selbständiger“ und „unselbständiger“ Arbeit ist nämlich äußerst heikel. Latente Grenzüberschreitungen in den „unselbständigen“ Bereich sind speziell im Betreuungswesen kaum zu vermeiden, jedoch mit weitreichenden, geradezu existenzgefährdenden Folgen verbunden.

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofs als auch des Obersten Gerichtshofs ist in der rechtlichen Beurteilung stets auf die konkreten
Umstände des Einzelfalls abzustellen. Zu prüfen sind hier keineswegs nur die
vertraglich getroffenen Vereinbarungen, sondern vielmehr die tatsächlich
herrschenden Verhältnisse innerhalb der Betreuungsbeziehung. Es kommt also auf den „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ des Arrangements und weniger auf den Text einer Vertragsurkunde an.

„Selbständige“ Tätigkeit setzt immer eine gewisse Autonomie voraus, also keiner Fremdbestimmtheit oder persönlichen Abhängigkeit zu unterliegen, in kein betriebliches Weisungsgefüge eingebunden zu sein, Aufträge sanktionslos ablehnen zu dürfen, sich die Erledigung der Aufgaben zeitlich autonom selbst einteilen zu dürfen, sich nach Belieben auch von anderen Personen vertreten lassen zu können etc, also Freiheiten, über die Betreuer*innen in der Praxis typischerweise eher selten verfügen.

Ziemlich plakativ hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 24.10.2011, 8 ObA 17/11z, ecolex 2012/109, 252 = RdW 2012/232, 229, ua, das Bestehen eines Arbeitsvertragsverhältnisses unter anderem damit begründet, dass die Abwicklung der Betreuung in vielfacher Weise nicht rein an den sachlichen Erfordernissen orientiert war, sondern auch völlig unsachliche Anliegen der Pflegebedürftigen „weisungsgemäß“ durchgeführt wurden, etwa das von ihr vereinzelt gewünschte „Füttern“, obwohl sie ihre Speisen ohne weiteres auch noch selbst zu sich nehmen konnte.

Abgesehen von allerlei steuer- und sozialversicherungsrechtlichem Ungemach, das bei einer nachträglichen „Umqualifizierung“ von einem vertraglich (pro forma) vereinbarten Werkvertragsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis droht, stehen den somit unselbständig tätig gewesenen Betreuer*innen sodann auch sämtliche Vorteile daraus zu, insbesondere meistens horrende Entgeltnachzahlungsansprüche.

Man sollte seinen Betreuer*innen also nicht nur aus reiner Menschenliebe und Dankbarkeit möglichst viele Freiheiten zugestehen, sondern mit eigenwilligen „Kommandos“ auch aus purem Selbstschutz Zurückhaltung üben.

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