Vermächtnisse sind nicht unantastbar!

„Meinen missratenen Sohn setze ich zum Universalerben ein. Das gesamte Familienvermögen erhält meine geliebte Tochter als Vermächtnis. Meine verschwendungssüchtige Ehegattin hat nichts zu bekommen.“ 

So oder so ähnlich könnte das kaltherzige Testament eines ausschließlich auf den Vermögenserhalt bedachten „Familienoberhaupts“ lauten.

Immerhin erhält der in Ungnade gefallene Sohn den Titel eines Universalerben, die erfolgreiche Tochter das gesamte Vermögen und die ihm stets treu ergebene Gattin eine letztwillige Erwähnung.

Allerdings haben Kinder (gemeinsam 1/3 neben Ehegatten) und Ehepartner (1/6 neben Kindern) Anspruch auf einen gesetzlichen Pflichtteil. Dieser richtet sich jedoch zunächst gegen die Verlassenschaft als solche und nach erfolgter Einantwortung gegen die Erben.

Das ist hier der im Auge des Vaters „missratene“ Sohn. Als Alleinerbe schuldet er demnach der Mutter und sich selbst den Pflichtteil. Dieser wird vom „reinen Nachlass“ (Vermögen abzüglich Schulden und Kosten) bemessenen, der wiederum nach der Vorstellung des Testators zur Gänze als Legat der Schwester auszufolgen wäre.

Aber so einfach macht es der Gesetzgeber Erblassern natürlich nicht, sich durch großzügige Vermächtnisse lästiger Pflichtteilsansprüche zu entledigen.

Vielmehr sieht das österreichische Erbrecht eine Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer vor (so genannte „Legatsreduktion“), nämlich einerseits, wenn die Vermächtnisse sogar den Reinnachlass übersteigen und andererseits, wenn dies zwar nicht der Fall ist, aber aus dem verbleibenden Nachlass die Pflichtteile nicht oder nicht vollständig abgedeckt werden könnten.

Die Vermächtnisse werden unter diesen Umständen so weit gekürzt, bis dem Erben die vollständige Erfüllung aller Pflichtteilsansprüche möglich ist.

Mit anderen Worten muss der Universalerbe im Eingangsbeispiel seiner Schwester nur das um die eigenen und seiner Mutter Pflichtteile (jeweils 1/6) gekürzte Vermögen des verstorbenen Vaters auszahlen und die Vermächtnisnehmerin hat sich mit dem Rest von immerhin noch 2/3 zu begnügen (ihr gesetzliches Erbe hätte nur 1/3 und ihr eigener Pflichtteil ebenfalls 1/6 betragen).

All jene (Mit-) Erben, die in Unkenntnis dieser Möglichkeit in der Vergangenheit irgendwann zu viel an Legatare ausbezahlt oder sich weniger als ihren Pflichtteil zurückbehalten haben, sei geraten, die alten Unterlagen aus dem seinerzeitigen Verlassenschaftsverfahren diesbezüglich noch einmal zu überprüfen.

Der Rückforderungsanspruch gegenüber Vermächtnisnehmern aus irrtümlicher Überzahlung verjährt nämlich erst nach Ablauf von 30 Jahren!