Kraftloserklärung „verschwundener“ Sparbücher
Eines der am meisten verbreiteten Phänomene in Erbrechtsangelegenheiten ist der geradezu epidemische Schwund an Ersparnissen und beweglichen Wertgegenständen.
Besonders häufig „verflüchtigen“ sich Münzen, Bargeld und Losungswortsparbücher, leider immer wieder auch mit tatkräftiger Unterstützung einzelner Banken, die sich später nur allzu gerne und vorwiegend unberechtigt auf das angeblich zu wahrende Bankgeheimnis berufen.
Mit akribischer Recherche und einem Quäntchen Glück lassen sich manchmal aber dennoch wenigstens einzelne Daten und Hinweise zu verschollenen Konten auffinden.
Dann bietet es sich an, die in Verstoß geratenen Sparbuchurkunden – so sie in der Zwischenzeit noch nicht eingelöst wurden – gerichtlich für kraftlos erklären zu lassen.
Die gesetzlichen Grundlagen dafür finden sich im Kraftloserklärungsgesetz 1951.
Demnach können Urkunden, die abhandengekommen oder vernichtet worden sind, für kraftlos erklärt werden, nicht aber beispielsweise noch vorhandene Sparbücher, von denen man lediglich das Losungswort vergessen hat (OGH 19.12.2006, 1 Ob 228/06w, ecolex 2007/114 = NZ 2007/71).
Für Erben sieht § 31 Abs 3 Bankwesengesetz (BWG) aber ohnedies vor, dass über eine Spareinlage, die von Todes wegen erworben wurde, auch ohne Angabe des Losungswortes verfügt werden kann.
Antragsberechtigt ist, wer ein Recht aus oder auf Grund der Urkunde geltend machen kann oder wer sonst ein rechtliches Interesse an ihrer Kraftloserklärung hat. Zu diesem Kreis zählen beispielsweise auch Verlassenschaften und Erben (OGH 17.08.2016, 8 Ob 69/16d, Zak 2016/589, 314; ua).
Antragsteller haben erstens entweder eine Kopie der Urkunde vorzulegen oder wenigstens deren wesentlichen Inhalt sowie alles anzugeben, was zu ihrer Erkennbarkeit erforderlich ist. Zweitens sind der Urkundenverlust und die persönliche Berechtigung daraus glaubhaft zu machen.
Das Gericht fordert sodann die Bank und erforderlichenfalls auch andere Beteiligte (bspw Sparkontenmitinhaber) gerichtlich zur Stellungnahme auf.
In der Folge stellt es entweder das Verfahren ein (bspw weil das Sparbuch in der Zwischenzeit eingelöst wurde) oder veranlasst eine öffentliche Kundmachung unter
www.edikte2.justiz.gv.at.
Dieses „Aufgebotsedikt“ enthält neben den Namen der Antragsteller eine genaue Beschreibung oder Bezeichnung der Urkunde, die Aufgebotsfrist (bei Überbringersparbüchern sechs Monate, bei Inhaber- bzw Namenssparbüchern ein Jahr), eine Aufforderung, die Urkunde bei Gericht vorzuweisen oder Einwendungen gegen den Antrag zu erheben, sowie den Hinweis, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Urkunde für kraftlos erklärt wird.
Hervorzuheben ist, dass bereits die Verfahrenseinleitung als solche zur Verjährungsunterbrechung führt und eine Auszahlungssperre der Bank bewirkt.
Das Verbot dauert so lange, bis das Verfahren entweder eingestellt oder das Sparbuch für kraftlos erklärt worden ist, wobei die Bank für jeden schuldhaften Verstoß gegen die gerichtlich verfügte Kontenblockade zu haften hat.
Eine währenddessen vorgelegte, von der Zahlungssperre betroffene Urkunde kann von der Bank gegen Empfangsbestätigung zurückbehalten werden, die umgehend das Gericht unter Anführung der Personalien des Vorweisenden zu verständigen hat, von dem wiederum die Antragsteller benachrichtigt werden.
Legt jemand das Sparbuch dem Gericht vor Fällung des Kraftloserklärungsbeschlusses vor oder weist in anderer Weise seine Innehabung nach, ist das Verfahren einzustellen, da die verschollen geglaubte Urkunde somit aufgefunden ist.
Wem sie schlussendlich gehört und wer konkret aus ihr zur Behebung des Sparguthabens berechtigt sein soll, lässt sich nicht im Kraftloserklärungsverfahren, sondern im streitigen Zivilprozess klären.
Meldet sich hingegen niemand, hat sich das Gericht nach Ablauf der Aufgebotsfrist antragsgemäß neuerlich bei der Bank zu erkundigen, ob seit Beantwortung der ersten Anfrage eine Auszahlung bewirkt oder eine Änderung der Sparbuchurkunde (Umtausch, Umschreibung) vorgenommen worden ist.
Wurde das Sparbuch in der Zwischenzeit zur Gänze eingelöst, verändert (Umtausch, Umschreibung) oder durch neue Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheine ersetzt, ist das Verfahren ebenfalls einzustellen.
Ansonsten erlässt das Gericht – uU nach weiteren Erhebungen – den Kraftloserklärungsbeschluss, der sodann allen Beteiligten zugestellt wird und das für kraftlos erklärte Sparbuch ersetzt.
Die Antragsteller können daraufhin unter Vorweisung dieses Beschlusses die ihnen zustehenden Rechte aus der betreffenden Spareinlage gegenüber der Bank geltend machen oder gegen Kostenersatz auch die Ausfertigung eines neuen Sparbuches verlangen.
Alles in allem mag das Kraftloserklärungsverfahren zwar auf den ersten Blick durchaus etwas anspruchsvoll und zeitaufwendig erscheinen.
Es bietet allerdings nicht selten eine effektive und vergleichsweise kostengünstige Handhabe insbesondere gegen den Verlust von Nachlassvermögen, durchaus aber auch gegen unlautere „Sparbuchverwahrer“ und die spätestens 30 Jahre nach der letzten Kontobewegung eintretende Verjährung (siehe dazu den Blog vom 19.02.2016 „Nach 30 Jahren gehören vergessene Spareinlagen der Bank!“)
Gerade deshalb sollte diese Möglichkeit bei Bedarf keinesfalls übersehen werden.