Kein Pflichtteilsminderungsrecht für den kaltherzigen Vater!

Standen der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht, so kann der Erblasser gemäß § 773a ABGB den Pflichtteil auf die Hälfte mindern, es sei denn, er hätte die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt.

Für Todesfälle ab 01.01.2017 wird § 773a ABGB ersetzt durch einen neuen § 776 ABGB, der für das fehlende familiäre Naheverhältnis anstelle des bisherigen Kriteriums „zu keiner Zeit“ eine Aufweichung dahingehend vorsieht, als fortan für die Pflichtteilsminderung auch hinreichend sein soll, wenn man sich schon zum Errichtungszeitpunkt der letztwilligen Verfügung und „zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden“ (wenigstens zwanzig Jahre) nicht mehr nahe stand.

Zudem wird der Kreis von einer möglichen Pflichtteilsreduktion betroffener Personen nun auch auf Ehegatten und eingetragene Partner erweitert. Hingegen werden die Verhaltensanforderungen an den Erblasser insoferne verschärft, als ihm das Recht auf Pflichtteilsminderung in Zukunft schon dann nicht zustehen soll, wenn er den Kontakt grundlos „gemieden“ oder dem Adressaten seiner Beschränkung „berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben“ hat, während bislang nur die grundlose „Ablehnung“ der Kontaktaufnahme schädlich war. Siehe zu diesen Neuerungen den Blog vom 11.09.2015, Pflichtteilsminderung NEU ab 01.01.2017!

Die letztgenannte Klarstellung durch den Gesetzgeber wurde in der Judikatur gewissermaßen bereits für die aktuelle Rechtslage vorweggenommen. Besonders kaltherziges und rüpelhaftes Verhalten von Erblassern sollte nicht auch noch durch ein außerordentliches Pflichtteilsminderungsrecht de factobelohnt“ werden.

Ein derartiger Fall lag der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19.03.2015, 6 Ob 226/14z, Zak 2015/429, 234 = EF-Z 2015/106, zugrunde.

Zwischen dem unehelichen Sohn (Kläger) und dem im Jahre 2009 verstorbenen Erblasser gab es zu keiner Zeit eine Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater kümmerte sich nicht um den Kläger. Kontakt gab es immer nur im Rahmen der gegen ihn angestrengten Unterhaltsprozesse. Die Mutter des Klägers hätte ein alleiniges Treffen der beiden auch nie zugelassen. Er äußerte im Rahmen der Unterhaltsverfahren immer wieder Zweifel an seiner Vaterschaft und drohte 1984 während eines Prozesses sogar, nach Klagenfurt zu fahren, um dort Mutter und Kind umzubringen. Im Jahr 1995 fand der letzte Kontakt zwischen den beiden anlässlich einer Unterhaltsverhandlung vor dem Bezirksgericht Hermagor statt. In dieser Tagsatzung beschimpfte der Erblasser seinen Sohn als „Bastard“ und äußerte sich dahingehend, dass er besser abgetrieben hätte werden sollen. Danach wurde vom Kläger nicht mehr versucht, mit dem Vater in Verbindung zu treten.

Vor diesem Hintergrund verneinte der Oberste Gerichtshof die Berechtigung des Erblassers auf Pflichtteilsminderung, weil dies seine Verhaltensweise, insbesondere seine Morddrohungen und die durch nichts zu rechtfertigende Beschimpfung des Sohnes als „Bastard“, der abgetrieben hätte werden sollen, aus moralischen und ethischen Gründen völlig ausschließe. Auch sei es dem Kläger unter derartigen Umständen keineswegs zumutbar gewesen, von sich aus erneut den Kontakt zu seinem Vater zu suchen.

Mag auch die Abneigung unterhaltspflichtiger Väter gegenüber ihren unehelichen oder außerehelichen Kindern in besonders pathologischen Fällen kaum Grenzen kennen, finden sie erfreulicherweise doch geeignete Schranken in der einschlägigen Rechtsprechung.

Wie schmal dieser Grad aber in der Praxis verläuft, zeigt sich unter anderem darin, dass die Klage des Sohnes gegen seine Halbgeschwister als Erben des gemeinsamen Vaters noch in beiden Vorinstanzen (Landesgericht Klagenfurt und Oberlandesgericht Graz) abgewiesen wurde.