Kein Besuch – kein Erbe?

Einsamkeit im Alter grassiert nicht erst seit Covid-19, sie hat unsere Gesellschaft längst fest im Griff – Tendenz steigend!

Nachdem die Aussicht auf ein ansehnliches Erbe immer schon zu den tragenden Argumenten für Angehörigenbesuche zählte, setzen kluge ältere Menschen genau dort an, um ihre „Liebsten“ zu motivieren, wenigstens hie und da auf einen Kaffeeplausch vorbeizukommen.

Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 14.09.2021, 8 Ob 35/21m, Zak 2021/702, 395, klargestellt, dass eine „seltene Besuchsfrequenz“ des Sohnes im Verhältnis zu seinem chronisch kranken und pflegebedürftigen Vater für sich allein noch keinen Enterbungsgrund im Sinne des § 770 Ziffer 5 ABGB verwirklicht und auch keinen Grund für eine Unterhaltsreduktion darstellt.

Nach dieser Gesetzesbestimmung kann ein Pflichtteilsberechtigter enterbt werden, wenn er seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat.

Die Drohung mit einer „Enterbung“ wegen seltener Besuche ist also wenig erfolgversprechend.

Hingegen könnte ein gut kommunizierter Blick auf die Ziffer 4 des § 770 ABGB schon eher Wirkung zeigen, wonach ebenfalls enterbt werden kann, „wer dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat“.







Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Julia Helminger, © Copyright 2022