Erbunwürdigkeit erfordert „gröbliche“ Pflichtverletzung!

Wer gegenüber dem Verstorbenen seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich vernachlässigt hat, ist gemäß § 541 Z 3 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) erbunwürdig, wenn der Verstorbene aufgrund seiner Testierunfähigkeit, aus Unkenntnis oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage war, ihn zu enterben, und er auch nicht zu erkennen gab, ihm verziehen zu haben.

Noch zur alten, inhaltlich aber weitestgehend gleichlautenden Rechtslage vor Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015, hat der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 27.02.2020, 2 Ob 60/19s, EF-Z 2020/77, 183, Erbunwürdigkeit nun bei lediglich „allgemeinen Vorwürfen“ dezidiert verneint.

Die im Jahre 2016 Verstorbene hatte ihre beiden Söhne testamentarisch zu gleichteiligen Erben eingesetzt.

Im Verfahren über das Erbrecht brachte einer vor, der andere sei erbunwürdig und folglich gebühre ihm allein die gesamte Verlassenschaft. Es bestehe nämlich der Verdacht, dass sich der Bruder das Vermögen bzw Vermögensteile der gemeinsamen Mutter zu deren Lebzeiten mit Bereicherungsabsicht angeeignet, somit Straftaten gegen die Verstorbene begangen und überdies gegen seine aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringenden Pflichten gröblich verstoßen habe. Gleichzeitig mit dem Entzug von Vermögenswerten sei ihr Fürsorglichkeit und Anständigkeit nur vorgegaukelt worden, um ihr besonderes Vertrauen zu erschleichen bzw ihre Demenz und Geschäftsunfähigkeit auszunutzen.

Der solcherart bezichtigte Sohn/Bruder bestritt alle Vorwürfe und war mit seiner Argumentation in allen drei Instanzen erfolgreich. Die Verstorbene habe ihm alle fraglichen Vermögensteile im Herbst 2014 geschenkt und eine Erbunwürdigkeit liege nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof betonte in seinem Erkenntnis, dass eben nicht jede Pflichtverletzung als Erbunwürdigkeitsgrund in Frage kommt. Vielmehr müsse sie „gröblich“, also gewichtig oder schwer anstößig sein.

Wer allerdings nur die Erbunwürdigkeit eines (Mit-)Erben behauptet und sich dabei lediglich darauf beschränkt, eine Straftat und diverse weitere Pflichtverletzungen des anderen in den Raum zu stellen, die sich ohne konkretes Tatsachensubstrat in ganz allgemein gehaltenen Vorwürfen („aktives Vorspiegeln“, „in Sicherheit wiegen“, „Vorgaukeln von Fürsorglichkeit“, „Ausnützen von Demenz und Geschäftsunfähigkeit“) erschöpfen, vermöge allein damit eine Anstößigkeit oder Gewichtigkeit im Sinne der für ein Durchdringen erforderlichen „gröblichen“ Pflichtverletzung – auch in Zusammenschau mit einer strafbaren Handlung im Familienkreis – jedenfalls noch nicht darzutun.

Wie jeder Praktiker weiß, finden sich die hier offenbar prozessgegenständlichen Bezichtigungen in mehr oder weniger pointierter Formulierung in nahezu jedem streitigen Verlassenschaftsakt, sodass eine andere höchstgerichtliche Beurteilung nicht nur überraschend gewesen, sondern wohl auch als Einladung zur gerichtlichen Klärung für eine Vielzahl gleichgelagerter Auseinandersetzungen verstanden worden wäre.

Wer sich also seinen Angehörigen in Erwartung besonderer Zuwendungen „nur“ anbiedert, handelt zwar aus der Perspektive seiner „Mitbewerber“ wenig sympathisch, macht sich dadurch aber noch keineswegs erbunwürdig.

Freilich ist die Grenzziehung zu tatsächlich „gewichtigem, schwer anstößigem“ oder sogar strafbarem Verhalten nicht immer einfach.

Folglich gilt es weiterhin zu beachten, dass allzu offensive Erbschleicherei stets gewisse Gefahren in sich birgt, und zwar nicht allein aus Erbunwürdigkeitsgesichtspunkten.






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