Ein Brief aus den 1970er Jahren als Testament?

Das eigenhändige Testament ist billig, beliebt und brandgefährlich!

Gleiches traf immer schon auf den Liebesbrief zu, vor dem der erfahrene Erbrechtspraktiker nicht minder zu warnen hatte, jedenfalls so lange noch die handschriftlich erstellte und gefertigte Version verbreitet war. Dadurch sind nämlich die formellen Gültigkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung an sich erfüllt.

In Zeiten virtueller Kommunikation mag die Brisanz dieser Hinweise verblassen. Die Problematik der unzählbaren handschriftlichen Texte ist es hingegen noch lange nicht.

Im Gegenteil beschäftigen uns zunehmend Nachlässe von Personen aus der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die vornehmlich in Briefform korrespondierte.

Die seinerzeitigen Adressaten finden oft erst Jahre nach dem Ableben der Verfasser einen längst verschollen geglaubten Text und sehen darin jene lukrative letztwillige Zuwendung, von der man eigentlich immer wusste und sie nur noch nicht belegen konnte.

So geschehen in dem der Entscheidung des OLG München vom 31.03.2016, 31 Wx 413/15, Zerb 2016/6, 173, zugrunde liegenden Fall.

2015 wurde ein Brief der dreizehn Jahre (!) zuvor 77-jährig verstorbenen und wohlhabenden Erblasserin vom 20.10.1975 mit folgendem Inhalt aufgefunden:

An das (Adressat)

Habe mich entschlossen nach meinem Tode mein Vermögen (Bar u.. Wertpapiere; C.bank; A.) dem (Adressat) zur Verfügung zu stellen. Sollte mir unerwartet etwas zustossen, dann halten Sie dieses Schreiben als Vollmacht! (Ort), 20.10.75 (Unterschrift)“

Daraufhin wurde der 2006 ausgestellte (deutsche) Erbschein vom Nachlassgericht mit der Begründung eingezogen, dieses neu hervorgekommene Schreiben enthalte eine Erbeinsetzung.

Die von den gesetzlichen Erben dagegen erhobenen Beschwerden waren allerdings erfolgreich, weil das OLG München den „ernstlichen Testierwillen“ der Erblasserin in einer „Gesamtschau der Umstände innerhalb und außerhalb der Testamentsurkunde“ schlussendlich verneinte.

Knappes Ergebnis, gefährliche Sache und doch eine schöne Erinnerung an die guten alten Zeiten mit Papier, Tinte und Feder!