Cleverer Enkel holt sich Pflichtteil des enterbten Vaters

Wer von seinen gesetzlichen Erben besonders schlecht behandelt wird, kann sie enterben und ihnen testamentarisch den Pflichtteil entziehen.

Von dieser Möglichkeit hat ein offenbar sehr vermögender Herr Gebrauch gemacht, nachdem er von seinem drogenabhängigen Sohn massiv bedroht und verprügelt worden war.

Im strafrechtlichen Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 14.01.1987 ist die Rede von mehrfachen Schlägen mit der Faust ins Gesicht des körperlich unterlegenen Vaters, auf den sein Sohn noch mit beschuhten Füßen eintrat, als er bereits am Boden lag.

Nachdem der Erblasser am 25.10.2011 verstorben war, versuchte der Sohn dennoch mit Prozesskostenhilfe (in Österreich: Verfahrenshilfe) Pflichtteilsansprüche gerichtlich durchzusetzen, die ihm jedoch vom Landgericht Hagen und vom Oberlandesgericht Hamm jeweils in Ermangelung hinreichender Erfolgsaussichten versagt wurde.

Im Jahre 2014 trat sodann ein am 07.05.1996 geborener Enkel des Verstorbenen in Erscheinung und obsiegte vor dem Landgericht Hagen, das die letzte Lebensgefährtin und den Bruder des Verstorbenen als Testamentserben mit Urteil vom 08.02.2017, 3 O 171/14, ZErb 2017/4, 109, zur Zahlung von immerhin rund € 0,9 Mio verpflichtete.

Infolge wirksamer Enterbung des Vaters sei der Kläger (einziger) verbleibender Abkömmling und damit anstelle dessen pflichtteilsberechtigt in Höhe des halben Nachlasswertes.

Die in dieser Entscheidung referierte Rechtslage in Deutschland entsprach im Wesentlichen auch jener in Österreich bis zum Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015.

Für Todesfälle ab 01.01.2017 gilt allerdings nunmehr die Einschränkung, dass Nachkommen einer erbunfähigen oder enterbten Person nur noch dann ein Pflichtteil zusteht, wenn diese „vorverstorben“ ist (§ 758 Abs 2 ABGB nF).

Bis 31.12.2016 sah § 780 ABGB (aF) hingegen noch ausdrücklich das Gegenteil vor. Abkömmlinge eines enterbten Kindes waren demnach auch in Österreich befugt, den Pflichtteil zu verlangen, selbst wenn der Enterbte den Erblasser überlebt hatte.

Einzelne Kommentatoren vertreten zwar die Ansicht, dass die Rechtslage unabhängig vom neuen Gesetzeswortlaut aus systematischen Erwägungen heraus gleich geblieben sei. Bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber oder durch den Obersten Gerichtshof bleibt dieser Aspekt aber jedenfalls fraglich.

Nicht nur wer in derart delikaten Familienverhältnissen lebt, sollte deshalb die Neuerungen im Erbrecht zum Anlass für eine kritische Sichtung bestehender letztwilliger Verfügungen nehmen oder spätestens jetzt (endlich) an eine Errichtung denken.