Bock und Gärtner in der Erwachsenenvertretung
Nirgends ist die Verlockung größer als im Bereich der Erwachsenenvertretung, nahe Angehörige mit weitreichenden Befugnissen auszustatten.
Schließlich kennt niemand die Eigenheiten, rechtlichen und finanziellen Belange der betroffenen Person besser, als die eigenen Nachkommen, Schwiegerkinder oder (Ehe-)Partner.
Allerdings profitiert dieser Personenkreis letztendlich auch von größtmöglicher Sparsamkeit als potenzielle Erben und von Insiderwissen in Bezug auf geeignete Vorbereitungshandlungen für einen optimierten Erbgang.
Abgesehen davon liegt in den meisten Erwachsenenvertretungen auch die eine oder andere Versuchung verborgen, sich dem Gedanken „er/sie braucht´s eh nicht mehr“ anzunähern. Ihr im lukrativen Anlassfall zu widerstehen, erfordert Charakterstärke und einen professionellen Zugang zur übernommenen Verantwortung, also Voraussetzungen, die im engeren Familienkreis nicht immer vorrätig sind.
Umso mehr gilt es, Vorsorgebevollmächtigte sorgfältig auszuwählen und zusätzlich entsprechende Kontrollmechanismen vorzusehen.
Im Bereich der Erwachsenenvertretung wird dies durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die gerichtliche Überwachung soweit ersichtlich in ausreichendem Maße gewährleistet.
Die Sensibilität der skizzierten Problematik zeigt eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 21.06.2023, 3 Ob 53/23z, Zak 2023/482, in der gerafft Folgendes konstatiert wurde:
Die Gattin des Betroffenen stellte in ihrer Funktion als gesetzliche Erwachsenenvertreterin Mitte Jänner 2022 beim Erstgericht den – in der Folge rechtskräftig abgewiesenen – Antrag, eine Schenkung in Höhe von 300.000 EUR an die beiden gemeinsamen Töchter pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Bei dem Geldbetrag handelt es sich im Wesentlichen um die dem Betroffenen aufgrund der Dauerfolgen seines schweren Unfalls aus der privaten Unfallversicherung der Ehegatten zugekommene Versicherungsleistung; beabsichtigt war, dass die Töchter mit diesem Geld eine (noch in Bau befindliche) barrierefreie Eigentumswohnung erwerben, in der der Betroffene und seine Gattin in der Folge wohnen sollten. Ohne die Entscheidung des Gerichts abzuwarten, überwies die gesetzliche Erwachsenenvertreterin wenige Tage nach Stellung des Antrags je 100.000 EUR an die beiden Töchter. Entgegen ihrer Auffassung stand der Gattin des Betroffenen keineswegs die Hälfte der dem Betroffenen ausbezahlten Versicherungsleistung zu, weil die Versicherungsprämien stets vom gemeinsamen Konto der Ehegatten bezahlt wurden. Entscheidend ist hier vielmehr, dass der Versicherungsfall (dauernde Invalidität) ausschließlich beim Betroffenen eingetreten ist und somit auch die gesamte Versicherungsleistung allein ihm zustand.
Gemäß § 274 Abs 1 ABGB ist zum (gerichtlichen) Erwachsenenvertreter vorrangig mit deren Zustimmung eine Person zu bestellen, die aus einer Vorsorgevollmacht, der Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreterverfügung hervorgeht. Ist eine solche Person – wie hier – nicht verfügbar oder geeignet, so ist nach Abs 2 leg cit mit deren Zustimmung eine der volljährigen Person nahestehende und für die Aufgabe geeignete Person zu bestellen. Kommt auch eine solche Person nicht in Betracht, so ist nach Abs 3 leg cit ein Erwachsenenschutzverein mit dessen Zustimmung zu bestellen. Ist auch die Bestellung eines solchen (wie hier) nicht möglich, so ist nach Abs 4 leg cit ein Notar (Notariatskandidat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder mit deren Zustimmung eine andere geeignete Person zu bestellen. Das Pflegschaftsgericht ist grundsätzlich an diesen gesetzlichen „Stufenbau“ gebunden, weshalb ein Abgehen davon sachlich gerechtfertigt sein muss.
Bei der Beurteilung der Eignung einer dem Betroffenen nahestehenden Person für die Erwachsenenvertretung ist auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen. Zur Annahme einer Interessenkollision reicht ein objektiver Tatbestand und die Wahrscheinlichkeit einer Interessenverletzung des Betroffenen bereits aus. Ein Interessenwiderspruch kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, weil Letzterer geneigt sein könnte, deren Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen. Ob eine Interessenkollision zu befürchten ist, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab.
Das Rekursgericht hat die Eignung des – von der beabsichtigten Schenkung zwar nicht unmittelbar, wohl aber mittelbar berührten – Sohnes des Betroffenen wegen einer Interessenkollision vertretbar verneint. Nichts anderes kann im Ergebnis für den Vater und die Geschwister des Betroffenen gelten, weil deren Rechtsmitteln klar zu entnehmen ist, dass sie die – von den Vorinstanzen zutreffend als nicht dem Wohl des Betroffenen dienend beurteilte – beabsichtigte Schenkung an die Töchter des Betroffenen (zum Erwerb einer Eigentumswohnung, an der dem Betroffenen lediglich ein Wohnrecht eingeräumt werden soll) für richtig halten.
Im Ergebnis wurde damit die von den Vorinstanzen anordnete Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch die Ehegattin des Betroffenen bestätigt und eine Schenkung derart hoher Unfallversicherungsleistungen an seine Kinder als nicht genehmigungsfähig erachtet.
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