Auch Beamte können geeignete Anerben sein!

Das Tiroler Höfegesetz, das Kärntner Erbhöfegesetz und das im restlichen Bundesgebiet geltende Anerbengesetz (AnerbG) sollen die Einheit und den Erhalt wirtschaftlich überlebensfähiger bäuerlicher Strukturen sicherstellen. Sie blieben durch die Erbrechtsreform 2015 inhaltlich unangetastet.

Privilegiert werden so genannte „Erbhöfe“ und die möglichst einheitliche Übernahme durch einen einzigen „Anerben“ zu Lasten aller anderen Erbberechtigten, frei nach dem Motto „The winner takes it all, the loser has to fall!“.

Die Anwendbarkeit dieser Sonderbestimmungen lässt sich testamentarisch weitestgehend entschärfen oder sogar gänzlich ausschließen. Davon wird in der Praxis allerdings nicht immer Gebrauch gemacht, sodass die gesetzlichen Regelungen zur „Auslese“ unter mehreren Miterben heranzuziehen sind, was weder den jeweiligen Erbhöfen noch den involvierten Angehörigen zu wünschen ist.

Die Betroffenen finden sich plötzlich wieder in einer komplizierten und durchaus streitgeneigten Verfahrensdynamik. Für ausreichend Zündstoff innerhalb des Familienverbandes sorgen dabei nicht nur die gesetzlichen Kriterien zur Kür des Anerben, sondern vor allem auch die nur im historischen Kontext erklärbare Diktion einzelner Textpassagen.

Beispielsweise mag der Ausschlusskatalog des § 5 AnerbG Unbeteiligte durchaus amüsieren. Wer allerdings in einem Verlassenschaftsverfahren seine Schwester oder den Cousin notgedrungenerweise dieser Eigenschaften zu bezichtigen hat, um ein in Aussicht stehendes Millionenerbe nicht zu verlieren, ist üblicherweise bedeutend weniger erheitert.

Nach dieser Bestimmung wird ein Anerbe ausgeschlossen, „wenn er

  1. infolge einer psychischen Krankheit, einer geistigen Behinderung oder eines körperlichen Gebrechens zur dauernden Bewirtschaftung des Erbhofs offenbar unfähig ist;
  2. infolge seiner auffallenden und anhaltenden Neigung zur Verschwendung, zur Trunksucht oder zum Mißbrauch von Suchtgiften befürchten läßt, daß er den Erbhof abwirtschaftet oder
  3. über zwei Jahre ohne Nachricht von seinem Aufenthalt unter solchen Umständen abwesend ist, die eine Rückkehr binnen angemessener Frist zweifelhaft machen. Eine Abwesenheit durch Krieg oder Kriegsgefangenschaft bleibt außer Betracht.“

Es versteht sich, dass derartige Behauptungen über Familienmitglieder im wahrsten Sinne eine nachhaltige Wirkung entfalten.

Darüber hinaus haben Gerichte häufig zwischen an sich gleich geeigneten Personen eine Auswahl zu treffen und dabei naturgemäß größte Mühe, ihre Entscheidung mit objektiv nachvollziehbaren Argumenten zu untermauern.

Dieses Dilemma zeigt sich eindrucksvoll in einer Rekursentscheidung des Landesgerichtes Salzburg vom 18.04.2007, 21 R 38/07w, das in der Abwägung zwischen erblichem Neffen und erblicher Nichte zur Auffassung gelangte, der älteren Nichte stünde das Anerbenrecht unter anderem deshalb zu, weil ihr Cousin als Beamter materiell abgesichert und nicht auf die Übernahme des Erbhofs angewiesen sei.

Eine derartige Schlechterstellung von Beamten gegenüber Angehörigen anderer Berufsgruppen wollte der Oberste Gerichtshof in der Revisionsentscheidung vom 24.01.2008, 6 Ob 212/07f, allerdings nicht bestätigen.

Vielmehr käme es darauf an, ob einer der potenziellen Anerben auf die Übernahme des Erbhofs zur Absicherung seines Lebensunterhalts angewiesen sei. Im Wege einer umfassenden Interessenabwägung müsse festgestellt werden, welche Berufe die jeweiligen Anwärter erlernt und ausgeübt hätten, weiters, inwieweit sie den Bestand des Erbhofs als Ganzes beabsichtigten und gewährleisten könnten. Das grundlegende Ziel des Höferechts bestünde in der Erhaltung einer krisenfesten landwirtschaftlichen Struktur durch Vermeidung einer Zersplitterung bäuerlicher Betriebe.

Die erbliche Nichte war nämlich so unvorsichtig, ihrem Cousin im Zuge der Erbauseinandersetzung einen Aufteilungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser an sich vernünftige Ansatz wurde ihr umgehend als „Zerschlagungsangebot“ angelastet, welcher geeignet sei, begründete Zweifel an ihrer Eignung als Anerbin zu erwecken.

Ob das auch noch im 21. Jahrhundert an uralten Traditionen und historischen Begrifflichkeiten festhaltende Anerbenrecht dem betroffenen Erbhof und den involvierten Familien im Ergebnis mehr geschadet als genutzt hat, bleibt allein in Anbetracht der mehrjährigen Verfahrensdauer zu bezweifeln.

Die Erblasserin war bereits 2005 verstorben. Der Oberste Gerichtshof hat erst im Jahre 2008 dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen, woraus man ableiten kann, dass mindestens drei Jahre lang Stillstand und Streit herrschten, bis unter mehreren geeigneten Anwärtern endlich wieder eine Bäuerin oder ein Bauer gerichtlich inthronisiert wurde.

Da eine Änderung dieser althergebrachten Rechtslage in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, bleibt allen Land- und Forstwirten nur dringend nahezulegen, durch Errichtung geeigneter letztwilliger Verfügungen derlei Ungemach von ihrem Hof und ihren Familien abzuwenden.