Wer kümmert sich um mich, wenn ich das selber nicht mehr kann?
Das Erwachsenenschutz-Gesetz ist im Wesentlichen seit 01.07.2018 in Kraft und hat seither das bis dahin geltende Sachwalterrecht abgelöst.
Erklärtes Ziel dieser Novelle war die Förderung der Selbstbestimmung von volljährigen Menschen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind und dadurch ihre Angelegenheiten nicht mehr für sich selbst besorgen können.
Den Begriff der „Entscheidungsfähigkeit“ hat der Gesetzgeber in § 24 Abs 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) folgendermaßen präzisiert:
„Entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann. Dies wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet.“
Systematisch soll die Vertretung unterstützungsbedürftiger Erwachsener (für Kinder bzw Minderjährige gibt es eigene Regelungen) durch ein „Vier-Säulen-Modell“ sichergestellt werden:
1. Vorsorgevollmacht
Eine (auch schon nach altem Recht zulässige) Vorsorgevollmacht dient der Prophylaxe.
Mit ihr lassen sich sowohl die Auswahl als auch der Wirkungsbereich von Bevollmächtigten weitestgehend frei bestimmen für den Fall, dass man seine Entscheidungsfähigkeit später einmal verlieren sollte.
Gültigkeitsvoraussetzung ist die höchstpersönliche und schriftliche Errichtung vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein nach entsprechender Rechtsbelehrung.
Die Vorsorgevollmacht als solche und bei Bedarf der Eintritt des „Vorsorgefalls“ sind jeweils im „Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis“ einzutragen.
2. Gewählte Erwachsenenvertretung
§ 264 ABGB sieht als neue Möglichkeit einer (späten) Vorsorge vor, dass eine volljährige Person mit beeinträchtigter Entscheidungsfähigkeit, die noch keinen Vertreter hat und nicht mehr in der Lage ist, eine Vorsorgevollmacht zu errichten, aber die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen, ihren Willen danach zu bestimmen und sich entsprechend zu verhalten, eine oder mehrere ihr nahe stehende Personen als Erwachsenenvertreter zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten auswählen kann.
Rechtlich handelt es sich dabei um einen Bevollmächtigungsvertrag, der ebenfalls nur gültig ist, wenn er höchstpersönlich und schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein nach entsprechender Rechtsbelehrung abgeschlossen, mit einem ärztlichen Zeugnis bescheinigt und im „Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis“ eingetragen wurde.
3. Gesetzliche Erwachsenenvertretung
Wie nach bisheriger Rechtslage können volljährige Personen erforderlichenfalls auch weiterhin in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Belangen (bspw Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, Abschluss von Heimverträgen, Vertretung in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren udgl) von den „nächsten Angehörigen“ vertreten werden.
Als „nächste Angehörige“ gelten nach § 268 Abs 2 ABGB „die Eltern und Großeltern, volljährige Kinder und Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen der volljährigen Person, ihr Ehegatte oder eingetragener Partner und ihr Lebensgefährte, wenn dieser mit ihr seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie die von der volljährigen Person in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung bezeichnete Person“.
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht allerdings nicht bereits unmittelbar mit Eintritt einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit, sondern erst durch Eintragung im „Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis“, die auf Basis eines ärztlichen Zeugnisses durch einen Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein zu veranlassen ist.
4. Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Die „gerichtlichen Erwachsenenvertreter“ ersetzen die bisherigen „Sachwalter“.
Ihre Bestellung ist weiterhin ultima ratio und nach § 271 ABGB folglich nur insoweit vorgesehen, als Betroffene bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen können, dafür keinen Vertreter haben, einen solchen nicht wählen können oder wollen und eine gesetzliche Erwachsenenvertretung nicht in Betracht kommt.
Auswahl und Abgrenzung des Wirkungsbereichs der gerichtlichen Erwachsenenvertreter obliegt dem bestellenden Gericht, wobei auf die Bedürfnisse und Wünsche der betroffenen Person sowie auf die zu besorgenden Angelegenheiten Bedacht zu nehmen ist.
Vorrangig sind mit deren Zustimmung nahestehende oder bereits bevollmächtigte Personen zu bestellen, alternativ dazu ein Erwachsenenschutzverein und – sollte auch dies nicht möglich sein – ein Notar (Notariatskanditat) oder Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter), speziell in Angelegenheiten, deren Besorgung vorwiegend Rechtskenntnisse erfordern.
Alle gewählten, gesetzlichen und gerichtlichen Erwachsenenvertreter unterliegen (in unterschiedlicher Ausprägung) einer laufenden pflegschaftsgerichtlichen Kontrolle, Vorsorgebevollmächtigte hingegen nur in seltenen Ausnahmefällen, etwa bei Interessenskonflikten oder bei Uneinigkeiten bezüglich medizinischer Behandlungen.
Ungeachtet der letztendlich gewählten oder erforderlichen Vertretungsvorsorge steht programmatisch über allem das Wohl und der Schutz Betroffener:
„Ist das Wohl einer vertretenen Person gefährdet, so hat das Gericht jederzeit von Amts wegen die zur Sicherung des Wohles nötigen Verfügungen zu treffen.“ (§ 259 Abs 4 ABGB)
Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Sie heißen schutzberechtigte Personen. (§ 21 ABGB)
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Foto und Fotobearbeitung: Sarah Hettegger, © Copyright 2018