Was ist ein „Unvergleichsfall“?

Der sogenannte „Unvergleichsfall“, auch als „Nichtvertragsfall“ bezeichnet, liegt vor, wenn in Übergabsverträgen enthaltene Versorgungsleistungen als Ausgedinge, wie etwa Lebensmittel, Botendienste, Betreuung, Pflege etc von den Übernehmern nicht oder jedenfalls nicht in gehöriger Weise erbracht werden.
Ist also den Ausgedingsberechtigten (Übergebern) der Genuss des Naturalausgedinges nach dem Verhalten der zur Erbringung Verpflichteten billigerweise nicht mehr zumutbar, so können sie die Ablösung der vertraglich vorgesehenen Naturalleistungen in Geld verlangen.
Ob die meistens aus innerfamiliären Dissonanzen resultierenden Probleme tatsächlich einen Unvergleichsfall rechtfertigen, hängt in jedem Einzelfall von der Lösung diffiziler Abwägungsfragen ab.
Von Lehre und Rechtsprechung wurden dazu gewisse Kriterien entwickelt, die zumindest eine grobe Orientierung erlauben.
Beispielsweise führt nicht bereits jede geringfügige Vernachlässigung sofort zum Nichtvertragsfall. Vorausgesetzt wird stets schuldhafter Verzug oder sonst schuldhaft vertragswidriges Verhalten der Verpflichteten.
Auch erschöpft sich die vertraglich übernommene Obliegenheit zur „liebevollen“ Betreuung in einer „anständigen und sorgfältigen“ Betreuung der Übergeber.
Natürlich haben sich umgekehrt auch die Berechtigten entsprechend kooperativ zu verhalten. Weigern sie sich grundlos und beharrlich, die Ausgedingsleistungen in natura anzunehmen oder wird die Unzumutbarkeitssituation vorwiegend durch ihr eigenes Verhalten hervorgerufen, steht ihnen selbstredend kein Recht zur Umwandlung in einen Geldanspruch zu.
Allerdings liegt es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe OGH 10.07.1997, 2 Ob 551/95, RIS-Justiz RS0022521, zuletzt OGH 28.04.2022, 7 Ob 36/22b, Zak 2022/396, 215) doch in erster Linie an den Ausgedingspflichtigen, den Nichtvertragsfall durch „friedfertiges und verständnisvolles Verhalten“ gegen die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters oft auch „wunderlich“ oder „starrsinnig“ werdenden Auszügler gar nicht erst entstehen zu lassen.
Ein Blick in die gerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen der reichhaltigen Judikatur zu dieser Thematik zeigt, dass es im 21. Jahrhundert selbst im bäuerlichen Kontext ratsam erscheint, in Übergabsverträgen primär Geldrenten zu vereinbaren, die sich bei gutem Einvernehmen ja ohnedies jederzeit zur Abgeltung erbrachter Naturalleistungen einsetzen lassen oder von diesen substituiert werden können.
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