Testament zu Gunsten einer Erwachsenenvertreterin
Bei letztwilligen Verfügungen von Menschen mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit und fraglicher Testierfähigkeit sind stets besondere Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten.
Abgesehen von speziellen Formvorschriften und den rechtlichen Rahmenbedingungen, die zu beachten sind, empfiehlt es sich, jedenfalls auch medizinische Sachverständige beizuziehen und im Zuge der Testamentserrichtung klar zu dokumentieren, dass während des Testiervorgangs keine der bedachten Personen anwesend war und somit eine Beeinflussung (zumindest in dieser Hinsicht) faktisch auszuschließen ist.
Gerade im Bereich der Erwachsenenvertretung (in Deutschland: „Betreuung“) entwickelt sich manchmal ein Vertrauens- und Dankbarkeitsverhältnis, das die betroffene Person unter anderem auch durch eine letztwillige Zuwendung zum Ausdruck bringen möchte.
Der Umgang mit diesem Wunsch ist emotional vielschichtig und rechtlich heikel, wie eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 09.01.2024, 6 W 175/23, Zerb 4/2024, 136, eindrucksvoll vor Augen führt.
Die 92-jährige Verstorbene hatte keine Angehörigen und noch wenige Wochen vor ihrem Tod im Zuge der Anhörung durch die Betreuungsrichterin (in Österreich „Pflegschaftsrichterin“) erklärt, sie beabsichtige ein Testament zu Gunsten der Kirche zu errichten.
Zwei Wochen nach Einrichtung der Betreuung (in Österreich: „Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters“) testierte sie allerdings vor einem von der Betreuerin beauftragten Notar zugunsten eben dieser Betreuerin.
In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung hielt der erkennende Senat fest, dass auch ein notarielles Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf eine ältere, kranke und alleinstehende Erblasserin dazu benutzt, gezielt auf die leicht beeinflussbare Betroffene einzuwirken und sie dazu zu bewegen, vor einem von der Betreuerin herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.
Im Ergebnis wurde die Zurückweisung des notariellen Erbscheins der Betreuerin durch das Amtsgericht Hannover wegen Sittenwidrigkeit des Testaments vom Oberlandesgericht Celle bestätigt und die Beschwerde der Betreuerin folglich abgewiesen.
Fotonachweis: Foto und Fotobearbeitung: Dr. Johann Schilchegger, © Copyright 2024