Pflegeregress für Altkosten laut Verwaltungsgerichtshof „eindeutig“ verboten!
Der Verwaltungsgerichtshof scheint mit seinem Beschluss vom 08.08.2018, Ra 2018/10/0076, nun endgültig einen Schlussstrich gezogen zu haben unter die für alle Betroffenen äußerst belastende Unsicherheit zur Frage, ob vom Verbot des Pflegeregresses auch jene Kosten umfasst sind, die vor dem 01.01.2018 angefallen sind.
In den Blogs vom 10.11., 17.11. und 24.11.2017 sowie vom 20.04., 13.07. und 27.07.2018 wurde diese Thematik bereits mehrfach beleuchtet.
Besonders spannend sind in der vorliegenden Entscheidung zwei wesentliche Aspekte.
Zum Einen wird die zivilrechtliche Beurteilung des Obersten Gerichtshofs nunmehr auch für den Verwaltungsbereich übernommen und als Referenz sogar dessen richtungsweisende Entscheidung vom 30.04.2018, 1 Ob 62/18a, zitiert.
Vor allem aber blockt der Verwaltungsgerichtshof alle weiteren Diskussionen und Rechtsmittel zur Zulässigkeit der Einhebung „alter“, vor dem 01.01.2018 angefallener Pflegekosten ab, indem er den Beschluss auf Zurückweisung der Revision einer Bezirkshauptmannschaft damit begründet, es läge überhaupt „keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor“, weil „die Rechtslage eindeutig“ sei!
Die in der Zulassungsbegründung gestellte Frage, ob sich die gesetzliche Anordnung der Verfahrenseinstellung auch auf den Rückersatz von Kosten beziehe, die vor dem 01.01.2018 entstanden seien, lasse sich nämlich bereits aus dem Gesetzeswortlaut heraus beantworten, der in § 707a Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetztes (ASVG) eben unmissverständlich an den Zeitpunkt des Vermögenszugriffs und eben nicht an jenen der Entstehung früher zu ersetzender Kosten anknüpfe.
Folglich dürfe seit 01.01.2018 ein Vermögenszugriff im Sinne des § 330a ASVG nicht mehr stattfinden, was unter anderem auch aus der weiteren Anordnung des § 707a Abs 2 3. Satz ASVG folge, wonach dem entgegenstehende Landesgesetze zu diesem Zeitpunkt außer Kraft treten.
Demnach umfasse das in § 330a ASVG enthaltene Verbot des Pflegeregresses nach § 707a Abs. 2 ASVG selbstredend auch Kosten, die vor dem 01.01.2018 angefallen sind.
Ungeachtet dieser klaren Worte ist in der Praxis leider festzustellen, dass sich Sozialhilferechtsträger vereinzelt immer noch weigern, „laufende Verfahren einzustellen“ und ihre Akten in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Weise abschließen, also etwa der Löschung alter Hypothekarpfandrechte zuzustimmen, sonstige Sicherstellungsmittel freizugeben und dergleichen mehr.
Dadurch wird nicht nur eine geradezu mutwillige Verwaltungsaufblähung betrieben, sondern auch die von den Höchstgerichten an sich längst überwundene Unsicherheit prolongiert.
Für Betroffene und ihre Angehörigen bedeutet dies nach wie vor, kostspielige Rechtsmittelverfahren und Zivilprozesse einzuleiten oder fortzusetzen, wollen sie ihre verfassungsgesetzlich eingeräumten Rechte nicht verlieren.
Näheres zu diesem Thema finden Sie auch in den Beiträgen vom 31.01.2014, 08.05.2015, 18.09.2015, 25.09.2015, 22.07.2016, 30.09.2016, 24.02.2017, 10.11.2017, 17.11.2017, 24.11.2017, 20.04.2018, 13.07.2018, 27.07.2018, 14.12.2018, 08.03.2019, 29.03.2019, 17.04.2020, 08.05.2020 und 29.05.2020.
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