Pflege von Lebensgefährten begründet Entgeltanspruch!

Immer wieder kommt es vor, dass sich Menschen Jahre lang um ihre Lebensgefährt*innen kümmern, sie bis zu ihrem Tod hingebungsvoll pflegen und weder zu Lebzeiten noch im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung irgendeine finanzielle Abgeltung erhalten.

Das mag für besonders Selbstlose unproblematisch und für Betuchte auch verkraftbar sein.

Wer jedoch auf ein laufendes Einkommen angewiesen ist, in der Zeit der Pflege vielleicht auch noch die eigene berufliche Karriere und damit seine Aussichten auf eine angemessene Pension vernachlässigt hat, wird sich eine derartige Großzügigkeit gegenüber den (nicht selten im Verhältnis zu Lebensgefährt*innen der Verstorbenen besonders knausrigen) Erben eher nicht leisten können und wollen.

Über einzelne Judikate dazu wurde bereits im Blog vom 08.05.2015 „Abgeltung von Pflegeleistungen innerhalb der Familie“, über die Bemühungen des Gesetzgebers, im Rahmen des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 hier mit den gesellschaftlichen Entwicklungen wenigstens einigermaßen Schritt zu halten, im Blog „Lebensgefährten im Erbrecht ab 2017“ vom 02.09.2016 und zum Thema „Pflegevermächtnis ab 2017 auch für Lebensgefährten!“ im Blog vom 30.09.2016 berichtet.

Nun wurde eine neue interessante Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Thematik veröffentlicht. Dem Erkenntnis vom 20.02.2020, 5 Ob 86/19m, iFamZ 2020/101, 175 (Deixler-Hübner) = Herndl, NZ 2020/93, 321 = NZ 2020/96, 345 = ecolex 2020/332, 781, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Streitteile waren als Medizinstudenten von Ende März 2008 bis Anfang April 2016 Lebensgefährten. Am 20.03.2012 erlitt der Kläger eine Hirnstammblutung und befand sich in der Folge in Intensiv- und danach bis Anfang August 2012 in Rehabilitationsbehandlung. Anschließend kehrte er in die gemeinsame Wohnung zurück und ist seither pflegebedürftig (Pflegestufe 7).

Die Beklagte verbrachte bereits ab Beginn der Rehabilitationsbehandlung viel Zeit beim Kläger und erbrachte danach bis zum Ende der Lebensgemeinschaft umfangreiche Pflege- und Betreuungsleistungen für ihn.

Nach Beendigung der Beziehung (2016) behielt sie einen Betrag von € 163.840 aus dem Vermögen des Klägers für sich, weil sie die Ansicht vertrat, dass ihr dies für die erbrachten Leistungen zustünde. Davon zahlte sie später € 58.500 an den Kläger zurück, der den Differenzbetrag von € 105.340 schließlich einklagte.

Im Ergebnis gelangten das Erstgericht und der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, die Beklagte müsse zwar einen weiteren Betrag von € 47.632 zuzüglich Zinsen zurückzahlen. Sehr wohl stünde ihr aber ein Betrag von immerhin rd € 57.700 als angemessenes Pflegeentgelt zu.

In der Regel seien die von Lebensgefährten während aufrechter Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen zwar unentgeltlich und könnten als solche nicht zurückgefordert werden. Dies gelte etwa für Beiträge zu den laufenden Lebenshaltungskosten, für die gemeinsame Wohnung und ganz allgemein für die Anschaffung von Sachen, die zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Ein Rückforderungsanspruch bestehe in diesen Fällen nicht, weil derartige Leistungen ihrer Natur nach keinen über den entsprechenden Zeitraum hinausgehenden Nutzen hätten.

Hingegen gewähre die Rechtsprechung einen Bereicherungsanspruch dann, wenn eine Leistung in der erkennbaren Erwartung eines weitergehenden Erfolgs erbracht wurde und diese Gegenleistung sodann nicht eintrat. Dafür sei im Regelfall weder eine „Zweckabrede“ noch eine dem Bereicherungsschuldner „zurechenbare“ Erwartung erforderlich. Vielmehr genüge deren Erkennbarkeit. Der Anspruch bestehe nämlich schon dann, wenn dem Leistungsempfänger klar war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte klar sein müssen, dass die Leistungserbringung in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgt.

Bei Dienstleistungen werde in Fällen bewusster Inanspruchnahme durch den Empfänger (über den Bereicherungsanspruch hinaus) auch ein angemessenes Entgelt zugesprochen. Dazu sei in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der eine Leistung in Anspruch nimmt, die in der Natur nicht mehr zurückgenommen werden kann, wie vor allem eine Arbeitsleistung, angemessen zu entlohnen habe, es sei denn, er hätte nicht mit einer Vergütungsverpflichtung zu rechnen gehabt.

Dabei reiche eine schlüssige Offenlegung dieser Erwartungen aus. Schon dadurch sei im Regelfall sichergestellt, dass der Gepflegte entscheiden könne, ob er eine im Familien- oder Bekanntenkreis erbrachte Pflege trotz der damit verbundenen Erwartungen entgegennimmt oder stattdessen lieber auf professionelle Dienste Außenstehender zurückgreifen wolle. Weitere Erfordernisse bestünden nicht.

Erfolge daher die Pflege durch eine/n Lebensgefährtin/en in Erwartung der Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft, die letztlich in einer Ehe münden sollte, (vorerst) unentgeltlich, sodass es dem Pflegebedürftigen ermöglicht wird, einen Großteil des ihm gesetzlich zustehenden Pflegegelds anzusparen, liege dem erkennbar auch die Erwartungshaltung zugrunde, durch die zukünftige gemeinsame Lebensgestaltung an diesen Ersparnissen teilzuhaben.

Diese Gerichtsentscheidung zeigt einmal mehr sehr deutlich die schwierige, aber schlussendlich unausweichliche Abgrenzung zwischen den persönlichen und den wirtschaftlichen Beziehungen in einer Partnerschaft.

So schwer es fallen mag, in der Pflege nahestehender Personen finanzielle Belange überhaupt anzusprechen, geschweige denn, vertraglich zu regeln, liegt darin doch der Schlüssel für ein dauerhaft gutes und faires Verhältnis zwischen allen Beteiligten.

Die Praxis zeigt, dass der Impuls für derartige Gespräche bestenfalls von den Betroffenen selbst oder wenigstens von anderen, nicht unmittelbar mit ihrer Pflege befassten Angehörigen/Freunden ausgehen sollte, um jenen Menschen, die sich dieser verantwortungsvollen und im Regelfall äußerst belastenden Aufgabe dankenswerterweise annehmen, wenigstens den Vorwurf der Geldgier zu ersparen.






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