„Notizzettel-Testament“

Persönliche Notizen Verstorbener geben häufig mehr preis über ihr Leben, ihre Wünsche und Sorgen, als so manches mit professioneller Hilfe gestaltetes Testament.

Abgesehen von der erbrechtlichen Problematik ist vor allem auch in menschlicher Hinsicht ein Aspekt dabei besonders beklemmend: Vielfach verfügen diese von Einsamkeit Geplagten nicht einmal über konkrete Adressaten für ihre Wünsche und letztwilligen Zuwendungen.

Nach ihrem Tod, also viel zu spät, finden sich dann plötzlich jede Menge angeblich besonders nahestehender Menschen, die mit allergrößter Überzeugung von sich behaupten, die in den handschriftlichen Aufzeichnungen vage umschriebene Person, also Erbe/Erbin zu sein.

In weiterer Folge liegt es meist an den Gerichten, die betreffende Urkunde als formgültige und rechtswirksame letztwillige Verfügung oder eben nicht einzuordnen und gegebenenfalls den Text in eine bestimmte Richtung auszulegen.

Das ist in juristischer Hinsicht stets besonders herausfordernd, geht aber rein menschlich betrachtet zwangsläufig am Thema vorbei, weil die Verfasser eigentlich gerne ein Arrangement getroffen hätten: „Wer sich um mich kümmert und mich gut behandelt, bekommt später mein Vermögen!

Ohne rechtzeitige Errichtung einer Vorsorgevollmacht und einer professionell gestalteten letztwilligen Verfügung kann das aber kaum gelingen.

Vielmehr reduziert sich das ursprüngliche Anliegen bei Gericht weitestgehend verkürzt auf die simple Frage „Wer bekommt mein Vermögen?

Selbst die dazu gemachten Aufzeichnungen lassen sich nur in seltenen Ausnahmefällen im Sinne der Erblasser umsetzen, es sei denn, sie hätten es gerade darauf angelegt, alle in Frage kommenden Personen in langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang zu manövrieren.

Bestens geeignet dafür wäre beispielsweise die Anordnung:

Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“!

Wie bereits im Blog vom 12.12.2014 ausgeführt, erschien dieser Text dem OLG München deutlich zu vage für eine letztwillige Verfügung und es wurde folglich mit Beschluss vom 22.05.2013, 31 Wx 55/13, für nichtig erklärt.

Einen ähnlich gelagerten Fall hatte erst kürzlich das OLG Braunschweig zu behandeln. Es verneinte mit Beschluss vom 20.03.2019, 1 W 42/17, ZErb 5/2019, 115, ebenfalls eine wirksame Erbeinsetzung wegen Unbestimmtheit der Person des Begünstigten.

Die am 22.01.2015 verstorbene Erblasserin schrieb auf einen nicht datierten, wenige Zentimeter großen, quadratischen Notizzettel („post-it“?) handschriftlich Folgendes:

Wenn sich für mich A…
(Vor- und Nachname)
geb. … (Geburtsdatum)
einer findet, der für mich aufpasst und
nicht ins Heim steckt der bekommt
mein Haus und alles was ich habe A…
(Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)

Eine sich in diesen Ausführungen als Erbin wiedererkennende Dame blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die wesentlich spannendere Frage aber wird in der veröffentlichten Rechtsmittelentscheidung naturgemäß nicht beantwortet:

Hat sich eigentlich jemand gefunden, der auf die Erblasserin zu Lebzeiten „aufpasste“ und sie „nicht ins Heim steckte“?









Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Sarah Hettegger, © Copyright 2019