Kinder wehren sich gegen Elternunterhalt und Sozialhilferegress!

Ist von Unterhalt die Rede, denkt man vornehmlich an Versorgungspflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern oder an lästige Folgen eines Ehescheidungsdramas.

Umso größer ist die Überraschung, wenn Unterhaltspflichten von Kindern gegenüber ihren Eltern und Großeltern zur Sprache kommen. Das ist häufig im Zusammenhang mit der Abdeckung von Pflegekosten der Fall und wird je nach den landesgesetzlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer zunehmend auch von Sozialhilfebehörden aufgegriffen.

Die Rechtslage ist an sich eindeutig. Gemäß § 234 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Dabei steht die Unterhaltspflicht der Kinder der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich in dem Umfang, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet.

Kein Wunder also, dass gut beratene Nachkommen versuchen, sich dieser Pflichten prophylaktisch zu entledigen. Das ist nur nicht ganz einfach und an eine Reihe rechtlicher Hürden geknüpft, wie zwei einschlägige Judikate zeigen.

Mit Beschluss vom 24.03.2015 hat der Oberste Gerichtshof zu GZ 8 Ob 21/15v, Zak 2015/461, 255, den Revisionsrekurs einer Tochter zurückgewiesen, von der letztendlich erfolglos die gerichtliche Feststellung begehrt wurde, dass der Unterhaltsanspruch ihrer Mutter ihr gegenüber ruhe, weil diese mit Übergabsvertrag vom 15. 01. 1982 ihre Liegenschaft unter Vorbehalt eines umfangreichen Ausgedinges an ihren Sohn, den Bruder, übergeben habe. Sie als Tochter müsse nun dennoch mit einem Regress nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz rechnen, zumal sich ihre Mutter bereits im 91. Lebensjahr befinde, in einem Pflegeheim untergebracht und nicht in der Lage sei, die dort auflaufenden Kosten selbst zu tragen. Ihr Antrag hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Der Oberste Gerichtshof verwies im Wesentlichen darauf, dass derlei Sozialhilfeangelegenheiten einschließlich der Unterhaltsthematik als Vorfrage zunächst von der zuständigen Verwaltungsbehörde zu entscheiden sind. Mit anderen Worten wurde die vorsorgliche Beschaffung eines „Unterhalts-Jokers“ über ein Bezirksgericht abgelehnt.

Anders hat man hingegen in einem Gerichtsverfahren entschieden, das dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 26.02.2008, GZ 1 Ob 4/08g, Zak 2008/302, 174, zugrunde lag. Hier befand sich die Mutter einer Medizinstudentin nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch im Koma und seither in einem Pflegeheim. Die Tochter begehrte die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens einer Unterhaltsverpflichtung. Sie und ihr Bruder seien zur Zeit des Selbstmordversuchs der Mutter erst fünf und sieben Jahre alt gewesen und habe ihr im Zuge dessen bewusst sein müssen, dass sie danach nicht mehr in der Lage sein werde, ihren mütterlichen Unterhaltspflichten nachzukommen. Mit einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Bregenz waren die Geschwister darauf hingewiesen worden, dass die gemeinsame Mutter aus Mitteln der Sozialhilfe unterstützt werde und diese Unterstützung monatlich € 1.600 betrage. Nach Rechtsansicht der Verwaltungsbehörde seien sie ihrer Mutter gegenüber unterhaltspflichtig und daher gemäß § 10 des Vorarlberger Gesetzes über die Sozialhilfe angehalten, Sozialhilfekosten zu ersetzen. Die Tochter war mit ihrem Antrag in allen drei Instanzen erfolgreich. Der Oberste Gerichtshof hob in seiner Entscheidung hervor, dass bei einer Mutter, die durch ihren Suizidversuch wenigstens mit bedingtem Vorsatz den dauerhaften Wegfall der eigenen Unterhaltsleistungen an ihre erst fünf bzw sieben Jahre alten Kinder in Kauf genommen hat, „gewiss“ eine gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflicht zu konstatieren sei. Das führte ex lege zum Verlust eigener Unterhaltsansprüche gegenüber den Kindern (§ 234 Abs 1 ABGB).

Im Ergebnis zeigen beide Judikate nicht nur, dass man vor Gericht und auf hoher See sprichwörtlich in Gottes Hand ist, sondern als Betroffene auch insoferne einem geographischen Roulett unterliegt, als die einzelnen Bundesländer den Sozialhilferegress völlig unterschiedlich handhaben.

Beispielsweise schließen – im Gegensatz etwa zur steirischen Rechtslage – die §§ 44 und 45 des Salzburger Sozialhilfegesetzes jeden unterhaltsbasierten Regress von Kindern gegenüber Eltern und Großeltern, von Eltern gegenüber großjährigen Kindern sowie generell gegenüber Enkeln und weiter entfernten Verwandten dezidiert aus (ACHTUNG! Nicht gegenüber Ehegatten oder eingetragenen Partnern!).

Es macht also einen wesentlichen Unterschied, ob die pflegebedürftigen Eltern im Grenzort Mandling westlich (Salzburg) oder östlich (Steiermark) des gleichnamigen Flusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw Hauptwohnsitz vor der Inanspruchnahme einer öffentlichen Unterstützung hatten. Hier entscheiden wenige Meter über die Sozialhilferegressverpflichtung von Kindern (Salzburg nein, Steiermark ja)!