Gesundheit oder Lebensfreude?

Die Abwägung zwischen Gesundheitsaspekten und der Ausübung eines vielleicht etwas gefährlichen Hobbys oder der Beibehaltung eines schädlichen Lasters ist prinzipiell jedem selbst überlassen.

Probleme ergeben sich aber häufig dann, wenn plötzlich andere über die eigene Lebensgestaltung zu befinden haben, weil man selber dazu nicht (mehr) in der Lage ist.

Immer wieder kommt es hier zu Konflikten zwischen Angehörigen, Pflegepersonal und Sachwaltern (Betreuern), die nicht selten erst durch eine gerichtliche Entscheidung geklärt werden können.

Zu welch absurden und unbefriedigenden Ergebnissen dies allein in zeitlicher Hinsicht führt, zeigt sich äußerst anschaulich in einem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 11.05.2011, GZ 3 Ob 81/11z, der einen an sich völlig unspektakulären Antrag einer damals bereits 90-jährigen Dame auf Zulassung von Tages- und Wochenendausflügen zum Gegenstand hatte, den sie bereits im Frühjahr 2010, also rund ein Jahr zuvor bei Gericht eingebracht hatte.

In diesem Alter ist das eine Menge Zeit und man darf mutmaßen, dass die Betroffene dieser höchstgerichtlichen Entscheidung nicht nur mit großer Ungeduld, sondern auch mit schwindenden Kräften entgegensah, ohne das geringste Interesse an den zu klärenden Rechtsfragen.

Immerhin betraf die Angelegenheit nicht nur ihre Freizeitgestaltung, sondern generell ihren Aufenthalt in einem Pflegeheim, da sie ihren Lebensabend verständlicherweise lieber in einer eigenen, barrierefreien Wohnung mit 24-Stundenbetreuung verbringen wollte. Diese dauerhafte Unterbringung im Pflegeheim erachtete hingegen der für sie bestellte Sachwalter als unumgänglich und stimmte auch den besagten Ausflügen nicht zu. Daraufhin beantragte ihre Rechtsvertreterin, das Pflegschaftsgericht möge dem Sachwalter entsprechende Weisungen erteilen.

Der Oberste Gerichtshof hat schlussendlich – ebenso, wie die Vorinstanzen – die Anträge der betagten Dame abgewiesen und dazu unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Nach der Zielvorgabe des § 281 Abs 1 ABGB hat der Sachwalter danach zu trachten, dass die behinderte Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. Allerdings bedarf es im Einzelfall einer Interessenabwägung zwischen dem >objektiven< und dem subjektiven Interesse. Insoweit wird bei einer älteren Person grundsätzlich dem psychischen Wohlbefinden (Lebensfreude und Lebensqualität) größere Bedeutung zuzumessen sein als der Vermögenssicherung und Vermögensvermehrung ( … ).

Für eine >Weisungsbefugnis< des Gerichts gegenüber dem Sachwalter besteht im Rahmen der Personensorge keine Rechtsgrundlage ( … ).

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert ( … ). Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Das Rekursgericht, das sich eingehend mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt hat, hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der persönliche Kontakt der betroffenen Person mit I***** keineswegs gänzlich unterbunden wird. Während der beabsichtigten Ausflüge war eine qualifizierte, medizinisch und fachlich geschulte Pflege und Betreuung notwendig, weshalb nicht zu vernachlässigende Aspekte gegen eine unbeaufsichtigte Betreuung durch I***** bestanden. Insoweit ist dem Aspekt der Aufrechterhaltung der Gesundheit gegenüber jenem der Lebensfreude der Vorrang zu geben.

Die im außerordentlichen Revisionsrekurs angesprochene Möglichkeit einer 24 Stunden Betreuung in einer anzumietenden Wohnung (als Alternative zum Heimaufenthalt) vermag für sich allein keine andere Beurteilung zu begründen, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Heimaufenthalt aus Gründen des Wohls der Betroffenen beendet werden müsste.“

Dieses zwar juristisch nachvollziehbare, aber für die Betroffene wohl in jederlei Hinsicht äußerst unbefriedigende Ergebnis sollte all jenen zu denken geben, die noch immer keine Vorsorgeverfügung errichtet haben, mit der sich eine gerichtliche Sachwalterschaftsbestellung und alle daraus resultierenden Probleme weitestgehend vermeiden lassen.