Der „Unvergleichsfall“ – Umwandlung eines Natural-Ausgedinges in Geld

Speziell in bäuerlichen Übergabeverträgen ist der Vorbehalt eines so genannten „Austrags“ oder „Ausgedinges“ nach wie vor üblich.

Im Wesentlichen wird dabei den Übergebern neben einem Wohnungsgebrauchsrecht auch die Versorgung mit diversen Naturalien (beispielsweise Lebensmittel, Heizmaterial etc), mit Dienstleistungen (etwa Reinigung, Pflege, Botengänge etc) und/oder mit Geld (Leibrente, Fruchtgenussrecht udgl) zugesagt.

Im historischen Rückblick zeigt sich eine aus heutiger Perspektive durchaus verwunderliche Kreativität und Detailtreue, die wohl den früher herrschenden sozialen Verhältnissen und der grassierenden Altersarmut geschuldet waren. Beispielhaft sei dazu auf den Blog „Die Nachbringungsverpflichtung“ vom 30.05.2014 hingewiesen.

Mit dem Ausbau wohlfahrtsstaatlicher Segnungen im österreichischen Pensions- und Krankenversicherungswesen hat ihre Bedeutung zwar in finanzieller Hinsicht abgenommen.

Durch die traditionelle Überlieferung und Verankerung speziell in bäuerlich geprägten Familienstrukturen finden sich in Übergabsverträgen aber immer noch mehr oder weniger umfangreiche Austragsvorbehalte.

Auch emotional stellt die Aussicht auf Versorgung durch nahe Angehörige nach wie vor ein nicht unwesentliches Argument für die ältere Generation dar, wenn es darum geht, sich (endlich) von „ihrem“ Betrieb zu trennen.

In den Erwägungen zur konkreten Ausgestaltung derartiger Gegenleistungen sollte neben steuerlichen, versicherungs- und sozialrechtlichen Aspekten (etwa zum Thema Pflegeregress bei Einkünften) keinesfalls die erbrechtliche Tangente übersehen werden.

Insbesondere gilt es zu beachten, dass generell jedes von den Übergebern zurück behaltene Recht vorbehaltlich einer anderslautenden Verfügung nach deren Ableben die Bemessungsgrundlage für die aus der Übergabe resultierenden Schenkungs-Pflichtteilsansprüche aller anderen gesetzlichen Erben mindert, weil das Geschenk durch das Ausgedinge ja belastet und damit weniger wert ist.

Wesentlich bei jeder Übergabeplanung ist zudem der warnende Hinweis darauf, dass derlei Versorgungspflichten geradezu systemimmanent die Gefahr in sich bergen, früher oder später Dissonanzen zwischen den Vertragsparteien zu erzeugen. Das erklärt sich allein daraus, dass die Freude selbst über großzügige Schenkungen mit der Zeit verblasst, während die Belastung der Übernehmer insbesondere bei zugesagten Pflegeleistungen naturgemäß tendenziell zunimmt.

Als Ventil für derlei Auseinandersetzungen hat sich in der Rechtsprechung der so genannte „Unvergleichsfall“ (auch „Nichtvertragsfall“) etabliert, wodurch den in der schwächeren und erpressbareren Position befindlichen Ausgedingsberechtigten zumindest in besonders krassen Fällen ein gewisser Ausweg geboten werden soll.

Allerdings scheuen die meist schon sehr betagten Betroffenen häufig den Weg zu Gericht und bindet die Judikatur überdies den Anspruch auf Umwandlung eines Natural-Ausgedinges in Geld an nicht unerhebliche Voraussetzungen.

Darauf wurde vom Obersten Gerichtshof erst jüngst in seiner Entscheidung vom 26.09.2018, 6 Ob 169/18y, Zak 1/2019, 16, sehr deutlich und mit einigen begrifflichen Klarstellungen hingewiesen.

Demnach habe man unter „Ausgedinge“ eine auf einer Liegenschaft ruhende dingliche Verpflichtung zu Naturalleistungen, Geldleistungen und/oder Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhalts der früheren Eigentümer oder naher Angehöriger zu verstehen.

Der so genannte „Unvergleichsfall“ berechtige die Ausgedingsnehmer bei schuldhafter Leistungsverweigerung durch die Ausgedingsverpflichteten eine Ablösung des Naturalausgedinges in Geld zu verlangen.

Dieser Anspruch werde jedoch nur dann ausgelöst, wenn ihnen der Genuss des Naturalausgedinges nach dem Verhalten der Übernehmer billigerweise nicht mehr zumutbar sei.

Rechtlich komme es dabei zu einer Umwandlung des Naturalleistungsanspruchs in einen Schadenersatzanspruch, wobei die zukünftigen Leistungen keineswegs wegfielen, sondern eben (auch rückwirkend) in eine nach dem objektiven Wert der jeweils geschuldeten Naturalleistungen zu bemessende Geldrente umgewandelt würden.

Im Ergebnis sollen die Ausgedingsberechtigten in den Stand gesetzt werden, sich die geschuldeten Leistungen mit Geld anderweitig zu verschaffen.

Der Anspruch auf Geldablöse hänge jedoch stets vom Nachweis eines Verschuldens der Übernehmer ab. Eine geringfügige Vernachlässigung oder gelegentliche Taktlosigkeit sei dafür (noch) nicht hinreichend, so lange eine „Summierung“ der Vorfälle kein anderes Bild ergebe.

Ein relevantes Verschulden liege erst dann vor, wenn jenes Maß an Takt- und Lieblosigkeit überschritten werde, das nach allgemeiner Lebenserfahrung auch sonst in einem Familienverband auftreten könne und die Vorkommnisse durch die Ausgedingsberechtigten nicht geradezu provoziert würden.

Beispielsweise erschien es dem Obersten Gerichtshof im Gegenstand nicht korrekturbedürftig, dass die Vorinstanzen die Ansicht vertraten, eine gelegentliche Beschimpfung des Klägers als „Depperter“ würde den Eintritt des „Unvergleichsfalls“ nicht rechtfertigen.

Überhaupt müsse selbst eine gröbliche Vertragsverletzung durch die Hofeigentümer nicht per se den „Unvergleichsfall“ herbeiführen und ebenso wenig nicht schon jede unbedeutende Verzögerung einzelner Naturalleistungen, wie sie ja auch sonst in einem Familienverband durchaus vorkämen.

Hingegen wäre es umgekehrt nicht von Bedeutung, ob die Ausgedingsberechtigten ihrerseits ein Verschulden trifft, ihnen also eigenes Fehlverhalten vorwerfbar ist oder ob sie allenfalls in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt waren.

Dennoch sei ein „Unvergleichsfall“ zu verneinen, wenn sich die Berechtigten grundlos beharrlich weigern, die Ausgedingsleistungen in natura anzunehmen, jedenfalls insoweit dieser Annahmeverzug den Übernehmern nicht vorzuwerfen ist.

Im gegenständlichen Fall führte gerade dieser Aspekt zur Klagsabweisung, weil die stets leistungsbereiten Übernehmer lediglich den Wunsch des (mittlerweile durch einen Sachwalter/Erwachsenenvertreter vertretenen) Übergebers respektiert und ihm nicht Leistungen gegen seinen Willen aufgedrängt hatten.

Programmatisch sieht der Oberste Gerichtshof im Zweifel die Übernehmer zu Vernunft und Nachsicht verpflichtet.

Da die Ablösung des Naturalausgedinges in Geld die Übernehmer ungleich schwerer belaste als die Reichung der Naturalien, liege es auch in erster Linie an ihnen, den „Nichtvertragsfall“ erst gar nicht entstehen zu lassen, etwa durch „friedfertiges und verständnisvolles Verhalten“ selbst gegen die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters zeitweise „wunderlich oder starrsinnig werdenden Auszügler“.










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