Corona-Pandemie ausreichend für „Nottestament“?

Bei Todesgefahr oder drohendem Verlust der Testierfähigkeit, also in persönlichen Extremsituationen besteht die (sehr eingeschränkte) Möglichkeit, ein so genanntes „Nottestament“ mit reduzierten Formerfordernissen zu errichten.

§ 584 ABGB sieht dazu Folgendes vor:

„(1) Droht aus Sicht des letztwillig Verfügenden unmittelbar die begründete Gefahr, dass er stirbt oder die Testierfähigkeit verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag, so kann er seinen letzten Willen in Gegenwart von zwei Zeugen fremdhändig (§ 579) oder mündlich erklären. Eine solche mündliche letztwillige Verfügung muss durch die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen bestätigt werden, widrigenfalls diese Erklärung des letzten Willens ungültig ist.

(2) Ein so erklärter letzter Wille verliert drei Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit und gilt als nicht errichtet. Im Zweifel ist damit auch der durch das Nottestament erfolgte Widerruf einer früheren letztwilligen Verfügung (§§ 713 und 714) aufgehoben.“

Vorausgesetzt werden neben einer konkreten Testierabsicht der verfügenden Person und ihrem subjektiven Eindruck, es herrsche „Todesgefahr“ oder es drohe ein „Verlust der Testierfähigkeit“ auch eine in objektiver Betrachtung für Dritte nachvollziehbare Gefahrensituation.

All dies ist in der aktuellen Corona-Krise mit gewissen Abstufungen grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen.

Eine begreifliche Gemütsaufregung allein nach Verhängung einer Quarantäne wegen positiv getesteter Kontaktpersonen dürfte zwar noch nicht hinreichend sein, hingegen bei eigenem positiven Corona-Befund älterer oder gesundheitlich vorbelasteter Menschen schon eher und im Falle der Aufnahme in stationäre Pflege eines Krankenhauses ohne Besuchszutritt naher Angehöriger, speziell in der Intensivstation kaum mehr zu bezweifeln.

Allerdings setzt die Judikatur für die Gültigkeit eines Nottestaments zusätzlich voraus, dass es der verfügenden Person nicht mehr möglich war, ihren letzten Willen auf andere, „normale“ Weise zu erklären, etwa in Form eines eigenhändigen Testaments.

Zwar relativiert sich die Eignung coronabedingter Stresssituationen zur Rechtfertigung eines Nottestaments unter diesem Gesichtspunkt auf den ersten Blick. Jedoch darf nicht übersehen werden, in welcher Ausnahmesituation sich die gesamte Bevölkerung derzeit befindet, verbunden mit nur sehr eingeschränkt verfügbaren Ressourcen unter anderem auch im Bereich der rechtsberatenden Berufe zur Abhaltung persönlicher Gespräche, Erstellung professioneller Testamente etc, vor allem aber, welche emotionale Belastung für Betroffene mit einem positiven Corona-Befund, geschweige denn mit der Aufnahme in eine medizinische Intensivbehandlung verbunden sind.

Folglich liegt es an den von Betroffenen in meist panischer Hilflosigkeit beigezogenen Zeugen, nicht nur den Inhalt der letztwilligen Verfügung möglichst rasch und ausführlich zu dokumentieren, sondern auch die zur Zeit der Errichtung konkret herrschenden Begleitumstände.

Klar ist und bleibt aber natürlich, dass die Variante eines Nottestaments stets nur als ultima ratio in Betracht gezogen werden sollte und der Gesetzgeber nicht umsonst eine derart alarmierende Bezeichnung gewählt hat.

Wie immer, wäre es ratsam, sich in ruhigen, unaufgeregten Zeiten besonnen auf Krisensituationen vorzubereiten.

So pietätlos dies im Moment auch erscheinen mag, gehören dazu in rechtlicher Hinsicht jedenfalls Erwägungen zur rechtzeitigen Errichtung einer Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, letztwilligen Verfügung, Bestattungsverfügung, jeweils unter auffindbarer Dokumentation der wichtigsten Unterlagen, Passwörter (Stichwort: virtueller Nachlass), Vermögenswerte und Handlungsanweisungen (Haustiere, Unternehmen, laufende Versicherungs- und sonstiger Vertragsverhältnisse …).

Die zur Epidemie-Eindämmung angeordnete Entschleunigung mit viel Zeit und Langeweile daheim böte zweifellos „die perfekte Gelegenheit“ dazu!






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