Auch Pfleger*innen dürfen erben!

Eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen sehen Geschenkannahmeverbote für Pflege- und Betreuungspersonen vor.

Beispielsweise ist es nach § 5 Abs 1 Salzburger Sozialbetreuungsberufegesetz Angehörigen der Sozialbetreuungsberufe untersagt, im Hinblick auf ihre Tätigkeit für sich oder einen Dritten von den betreuten Personen oder deren Angehörigen ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder einen sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.

Immer wieder stellt sich die Frage, ob von diesen Verboten auch letztwillige Zuwendungen Verstorbener an ihre ehemaligen Pfleger- und Betreuer*innen umfasst sind.

Der Oberste Gerichtshof hat dies in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 21.02.2023, 2 Ob 15/23d, Zak 2023/148, 94, für die Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung verneint, deren § 1 Abs 1 es Personenbetreuern untersagt, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistungen entgegenzunehmen.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall setzte ein 2018 Verstorbener in seinem Testament vom 10.07.2015 nicht seine Ehegattin, sondern seine Pflegerin und deren Ehemann als seine Erben ein.

Die Witwe konnte als (andernfalls) gesetzliche Erbin mit ihrer Argumentation, sowohl die besagte letztwillige Verfügung, als auch die Erbantrittserklärungen der beiden Testamentserben seien aufgrund der vorzitierten Verordnung nichtig, weder die beiden Vorinstanzen, noch den Obersten Gerichtshof überzeugen.

Demnach führt nicht jeder Verstoß gegen eine Verbotsnorm zur Nichtigkeit. Entscheidend ist vielmehr, ob der Verbotszweck einer Vorschrift die Ungültigkeit verlangt, wenn – wie im Anlassfall – die Norm nicht ausdrücklich anordnet, dass ihm widersprechende Geschäfte nichtig sein sollen.

Der zentrale Zweck der Verordnung über Standes- und Ausübungsregeln für Leistungen der Personenbetreuung zielt auf den Schutz der betreuten Person ab, welcher aber hinsichtlich des erst nach dem Tod eingetretenen Vermögenszuwachses der Pflegeperson nicht mehr geboten ist.

Das im Gegenstand relevante Verbot, wonach einer Pflegeperson untersagt ist, Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistungen entgegenzunehmen, zielt nämlich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ausschließlich darauf ab, von der betreuten Person Nachteile abzuwenden.

Mit anderen Worten: Allein die Pflegebedürftigen selbst sind zu Lebzeiten vom Schutzzweck derartiger Geschenkannahmeverbote umfasst, nicht aber auch ihre gesetzlichen Erben!

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Foto und Fotobearbeitung: Lina Eibl, © Copyright 2023