Zahlung aus Angst vor Erbrechtsstreit ist kein Geschenk!

Es kommt nicht selten vor, dass zur Prozessvermeidung großzügige Abfindungen geleistet werden, die bei objektiver Betrachtung von den Empfängern vor Gericht wohl nie in diesem Ausmaß zu „erstreiten“ gewesen wären.

Neben dem Kostenrisiko spielen hier vor allem psychologische Aspekte eine wesentliche Rolle.

Man kennt sich meistens lange und gut genug, um genau zu wissen, wie das Gegenüber möglichst effektiv einzuschüchtern ist.

Für faktenbasierte Argumente bleibt in dieser Situation wenig Raum und das mental schwächste (Familienmit-) Glied in der Auseinandersetzung zahlt irgendwann in der vermeintlichen Hoffnung, damit den „Familienfrieden“ zu retten – ein Irrglaube, wie sich später häufig herausstellt, weil jede Überzahlung zwangsläufig erneut andere verkürzt, und seien es auch nur die künftigen Erben der Zahlerin oder des Zahlers.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 18.12.2020, 2 Ob 215/20m, NZ 2021/40, 137, mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es sich bei derartigen Geldleistungen zur Streitvermeidung allenfalls um eine Schenkung handeln könnte.

Dieser Aspekt ist rechtlich in mehrfacher Hinsicht relevant. Etwa setzt die Gültigkeit einer Schenkungsvereinbarung ohne wirkliche Übergabe (Zahlung soll erst in der Zukunft erfolgen) die Errichtung eines Notariatsakts voraus. Auch haben Schenkungen beträchtliche Auswirkungen in erb- und pflichtteilsrechtlicher Hinsicht etc.

Wie bereits in einer Vorentscheidung vom 23.10.2007, 3 Ob 142/07i, JEV 2008, 69/8 = EFSlg 117.189, bekräftigte der Oberste Gerichtshof, dass Abfindungen „zur Vermeidung eines Rechtsstreits“ eindeutig gegen jedwede Schenkungsabsicht der/des Leistenden sprechen.

Bei Schenkungen handle es sich um einen Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, einem anderen eine Sache unentgeltlich zu überlassen. Ihr Grund liege nicht im eigennützigen Austausch von Leistungen, sondern in der Freigiebigkeit des Schenkenden. Für Schenkungen sei die Schenkungsabsicht begriffswesentlich, welche in der Absicht einer unentgeltlichen, dh auf keine Gegenleistung bezogenen und freiwilligen (freigiebigen) Leistung bestehe. Ob eine Schenkung vorliege oder nicht, könne nicht allein danach beurteilt werden, dass der Empfänger des Vermögenswerts mangels Erbringung einer Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert sei. Vielmehr müsse auch das (ausdrücklich oder schlüssig zu erklärende) Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorliegen und nicht nur der Zuwendende, sondern auch der Empfänger der Zuwendung damit erkennbar einverstanden sein, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, ihr also keine oder keine wirtschaftlich beachtliche Gegenleistung gegenüberstehen solle. Ohne diesen Schenkungswillen komme eine Schenkung hingegen definitiv nicht in Betracht.

Wer von seinem Gegenüber permanent und oft über lange Zeiträume hinweg mit perfidesten Methoden geradezu traktiert worden ist, entwickelt nach allgemeiner Lebenserfahrung vielfältige Wünsche, in den seltensten Fällen aber irgendwelche „Schenkungsambitionen“, sodass die vorliegende Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof aus Sicht der Praxis absolut zu begrüßen ist.


Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Julia Elisabeth Ivan, © Copyright 2022