Wer sein Wohnrecht nicht nutzt, kann es verlieren!

Der Vorbehalt eines Wohnungsgebrauchsrechts zählt zu den gebräuchlichsten Instrumentarien jeder professionellen Übergabeplanung.

Sie ist in den meisten Fällen steuerneutral, löst (etwa im Gegensatz zu einem Fruchtgenussrecht) keine regressrelevanten Einkünfte zur Pflegekostenabdeckung aus (siehe Blog vom 24.11.2017) und eignet sich bei erstrangiger grundbücherlicher Einverleibung hervorragend zur Absicherung sowohl der Übergeber als auch anderer Personen, etwa versorgungsbedürftiger Angehöriger.

Literarisch charmant verpackt hat sich dieser Variante und einzelner Nachteile sogar Nobelpreisträger Heinrich Böll in Ansichten eines Clowns angenommen (siehe dazu den Blog vom 14.02.2014).

Wie so oft, gilt es jedoch auch bei derart verbreiteten und auf den ersten Blick simplen Gestaltungselementen rechtliche Details zu berücksichtigen, deren Vernachlässigung verheerende Konsequenzen mit sich bringen kann.

Dies zeigt beispielsweise eine erst kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16.05.2018, 2Ob158/17z, Zak 2018/396, 215.

Der Alleineigentümer eines Einfamilienhauses verstarb am 27.02.2012 und hatte mit Dienstbarkeitsvertrag vom 20.07.2011 einem seiner Erben ein unentgeltliches, unbefristetes, im Grundbuch eingetragenes Gebrauchsrecht an zwei im ausgebauten Dachgeschoss befindlichen gartenseitigen Räumen eingeräumt.

Alle erbantrittserklärten Erben, darunter auch der Wohnungsberechtigte, waren mit der Alleinvertretung des Nachlasses durch eine der Töchter des Verstorbenen einverstanden.

Einige Monate nach dem Todesfall, am 20.12.2012, ließ die Witwe das Haustürschloss des besagten Einfamilienhauses austauschen und überließ dem Wohnungsberechtigten keinen neuen Haustürschlüssel. Damit war es ihm seither faktisch nicht mehr möglich, das Haus zu betreten. Dies hatte er allerdings auch nie versucht, zumal ihm der Schlossaustausch überhaupt erst im Zuge der Prozessführung bekannt wurde.

Nach erfolgter Einantwortung der Verlassenschaft bekämpften die beiden Miterbinnen des Wohnungsberechtigten mit am 04.04.2016 eingebrachter Klage sein Wohnungsgebrauchsrecht, unter anderem weil ihm durch den Schlossaustausch in der Eingangstüre des Hauses seit 20.12.2012 die Ausübung des Gebrauchsrechts unmöglich gemacht worden sei und nach beanstandungslosem Ablauf von drei Jahren somit Freiheitsersitzung eingetreten wäre.

Der Oberste Gerichtshofs folgte dieser Rechtsauffassung und entschied, dass der Klage im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen heraus stattzugeben sei:

Das Recht, die Verlassenschaft zu verwalten und zu vertreten, umfasse auch die Befugnis, sich der Ausübung einer Servitut im Namen und zugunsten der Verlassenschaft zu widersetzen.

Die für die Verlassenschaft vertretungsbefugte Miterbin habe die Interessen der Verlassenschaft zu wahren. Eine Verpflichtung, allenfalls auch für diese nachteilige Individualinteressen potenzieller Erben zu beachten, wäre hingegen aus dem Gesetz nicht ableitbar.

Der Eintritt der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB setze voraus, dass sich der Verpflichtete fortwährend der Ausübung der Dienstbarkeit widersetze und der Berechtigte deshalb deren Ausübung drei Jahre lang unterlassen habe, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die – nach der neueren Judikatur als ausreichend erachtete – manifeste Beeinträchtigung der Ausübung der Dienstbarkeit ergäbe sich nicht nur durch das erstmalige Versperren bzw hier den Schlosstausch, sondern durch das Versperrthalten oder die Aufrechterhaltung des Zustands ohne Ausfolgung eines neuen Schlüssels für die Haustüre über einen längeren Zeitraum an den Berechtigten.

Ob die Verpflichtete das Hindernis ursprünglich selbst errichtet oder sich dazu einer von einer dritten Person (hier der Witwe) errichteten Zugangssperre bediente, die sie willentlich in eigener Verantwortung bestehen lassen habe, mache keinen Unterschied.

Die Zurechnung des Hindernisses und der Widersetzungshandlung zur Verlassenschaft wäre daher im vorliegenden Fall zu bejahen, zumal das physische Hindernis ausreichend lange aufrechterhalten worden sei.

Die Absicht, namens der Verlassenschaft zu handeln, müsse dabei nicht ausdrücklich hervorgehoben werden, sondern könne sich durchaus auch aus dem Zusammenhang ergeben.

Demnach habe der Miterbe sein Wohnungsgebrauchsrecht durch Jahre lange Untätigkeit verloren.

 

 

 

 

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Foto und Fotobearbeitung: David Schilchegger, © Copyright 2018