Wer erbt bei tödlichem Verkehrsunfall beider Patchwork-Eltern?

Das Leben in einer Patchwork-Familie ist schon im Alltag ziemlich fordernd und kompliziert, umso mehr nach tragischen Schicksalsschlägen.

Der Geschehensablauf, wie er einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17.12.2019, 2 Ob 62/19k, NZ 2020/29, 97 (Krenmayr) = iFamZ 2020/71, 123 (Billeth) = Zak 2020/71, 50 = EF-Z 2020/57, 133, zu entnehmen ist, verdeutlicht dies auf nachdrückliche Weise.

Die Patchwork-Ehegatten BM und AM kamen bei einem Verkehrsunfall am 8. April 2014 ums Leben. Sie hatten keine gemeinsamen Kinder und hinterließen keine letztwillige Anordnung. BM hatte zwei Kinder und ihr Ehemann AM drei.

Im Verfahren über das Erbrecht nach BM war strittig, ob AM seine Ehegattin BM überlebt hat, weil in diesem Fall AM respektive seine Verlassenschaft gemeinsam mit ihren beiden Kindern zu je einem Drittel und ansonsten allein ihre Kinder je zur Hälfte erbberechtigt sind.

In den (ihrem Inhalt nach unstrittigen) Sterbeurkunden wurden als Todeszeitpunkte 9:31 Uhr für BM und 10:50 Uhr für AM dokumentiert.

Das Erstgericht stellte ursprünglich das Erbrecht der beiden Kinder je zur Hälfte fest und wies die Erbantrittserklärung der Verlassenschaft nach AM (zu einem Drittel) ab.

Es nahm als erwiesen an, dass die „Wiederbelebungsversuche“ bei BM um 10:30 Uhr wegen Erfolglosigkeit abgebrochen wurden.

Den Ehegatten AM habe eine Ärztin um 10:45 Uhr „medizinisch lebend“ einem anderen Arzt übergeben. Danach sei es noch zu einer „Schnappatmung“ gekommen, bei der es sich um ein Atemmuster vor dem Eintritt des Todes handle. Das EKG habe keine Nulllinie aufgewiesen. Noch mit einem „Restkreislauf“ im Krankenhaus eingelangt, sei um 10:50 Uhr auch bei AM „der medizinische Tod“ eingetreten.

Es könne allerdings „nicht ausgeschlossen“ werden, dass der Hirntod von AM „gleichzeitig“ mit jenem der BM eingetreten sei.

In rechtlicher Hinsicht war also von Bedeutung, ob hier die gesetzliche Vermutung des § 11 Todeserklärungsgesetz (TEG) Anwendung findet, wonach von gleichzeitigem Ableben auszugehen ist, wenn nicht bewiesen werden kann, dass von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat (so genannte „Kommorientenvermutung“).

Entgegen der beiden Vorinstanzen vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, diese Bestimmung finde im Gegenstand keine Anwendung, weil der in § 11 TEG gesetzlich geforderte Beweis durch die Angaben der einzelnen Todeszeitpunkte in den jeweiligen Sterbeurkunden durchaus erbracht werde.

Einen allfälligen Gegenbeweis, wonach die in den Sterbeurkunden genannten Zeitpunkte nicht richtig sind, wäre von den beiden Kindern der BM zu erbringen gewesen, was im Gegenstand aber nicht der Fall war.

Folglich sind sie lediglich zu jeweils einem Drittel gesetzliche Erben neben der Verlassenschaft des Stiefvaters.

Im Ergebnis erben also die drei Kinder des AM auch ein Drittel (je ein Neuntel) aus der Verlassenschaft ihrer Stiefmutter BM.

Ob dies tatsächlich im Sinne der beiden Verunglückten war, mag bezweifelt werden.

Klar ist hingegen, dass dieses Ergebnis und alle damit in Zusammenhang stehenden Auseinandersetzungen relativ einfach durch eine geordnete Nachfolgeplanung mit entsprechend letztwilliger Vorsorge der Ehegatten BM und AM abzuwenden gewesen wären.






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