Was uns Frau Sümeyye Erdogan über die EU-Erbrechts-Verordnung sagt

Frau Sümeyye Erdogan, Tochter des türkischen Staatspräsidenten Recip Tayyip Erdogan, soll es laut Medienberichten (bspw Wiener Zeitung vom 02.04.2015) kürzlich befürwortet haben, dass Frauen weniger erben als Männer. Dies wäre „normal, fair und gerecht“. Immerhin seien Männer ja auch dafür verantwortlich, „Brot nach Hause zu bringen“.

Sie berief sich dabei auf eine verbreitete Auslegung des Koran, der den Männern mehr Verantwortung auferlege, also auch eine Bevorzugung in der Erbfolge gerechtfertigt erscheinen lasse.

Seit 27. Juli 2012 ist die EU-Erbrechts-Verordnung (EuErbVO) in Kraft. Ihre wesentlichen Bestimmungen gelten für Todesfälle ab 17. August 2015 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark. Diese Verordnung ändert elementare Grundsätze des österreichischen Erb- und Verlassenschaftsverfahrensrechts, eröffnet aber gleichzeitig eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Rechtsanwender bisher nicht zugänglich waren.

Neu und brisant ist vor allem, dass sich das anzuwendende Recht künftig nicht mehr nach der Staatsbürgerschaft richtet, wie dies in Österreich und Deutschland traditionell der Fall war, sondern nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasser im Zeitpunkt ihres Todes, es sei denn, in einer letztwilligen Verfügung wäre eine gegenteilige Anordnung getroffen worden.

Nun soll es auch in nichtislamischen Kulturkreisen Familien geben, die den „Söhnen“ eine bedeutsamere Stellung beimessen, als „Töchtern“, und denen die Ansichten von Frau Sümeyye Erdogan durchaus schlüssig erscheinen.

Über einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in eines der Länder mit entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen lässt sich dank der EuErbVO fortan auch tatsächlich verwirklichen, wonach sich so manch reaktionärer Geist sehnen mag, zumal nicht nur das dortige Recht anzuwenden ist, sondern meistens auch einheimische Richter mit dem passenden religiös-ideologischen Hintergrund zuständig sein werden.

Die Türkei bietet sich dafür allerdings nicht wirklich an. Eine erbrechtliche Gleichstellung von Frauen ist hier nämlich bereits seit 1934 gesetzlich verankert.