Wann darf sich der Staat eine Verlassenschaft „aneignen“?

Gemäß § 750 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) hat der Bund das Recht, sich eine Verlassenschaft anzueignen, wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist und sie auch sonst niemand erwirbt (so genanntes „Heimfallsrecht“ nach alter Diktion).

Mit anderen Worten bekommt der Staat einen Nachlass immer dann, wenn er sonst niemandem zusteht, also kein Testament, keine gesetzlichen Erben und auch keine außerordentlichen Erben (Lebensgefährten, Vermächtnisnehmer) existieren.

Dabei handelt es sich rechtlich um keine Erbschaft, sondern um ein gesondert zu betrachtendes Aneignungs-„Recht“, das von der Republik Österreich natürlich nur bei entsprechender Werthaltigkeit der Verlassenschaft ausgeübt wird.

Auch gilt es eine Reihe weiterer Besonderheiten zu beachten.

Beispielsweise hat der Oberste Gerichtshof erst kürzlich in einer Entscheidung vom 30.01.2018, 2Ob58/17v, Zak 2018/244, 132, ausgesprochen, dass dem Staat aus einer erblos gewordenen Verlassenschaft kein Transmissionsrecht (Anspruch aus der Vererbung des Erbrechts) zusteht.

Gegenständlich war die Frage zu klären, ob der Bund nach dem Tod einer ohne Erben und ohne Testament verstorbenen Frau auch ihr Erbrecht aus dem Testament ihres später verstorbenen Ehegatten geltend machen kann (so genannte „Transmission“) oder ob hier (anders als bei „normaler“ Erbfolge) ausnahmsweise die gesetzlichen Erben des Witwers zum Zuge kommen.

Unter Hinweis darauf, dass das Heimfallsrecht eben kein Erbrecht, sondern ein Aneignungsrecht spezifischer Art mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge sei, das in Wahrheit den Zweck habe, nachgelassenes Vermögen nicht herrenlos werden zu lassen, stellte der Oberste Gerichtshof im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung klar, dass die Republik Österreich folglich auch keine Erbansprüche aus Testamenten zu Gunsten der (ohne Erben und Testament) Verstorbenen geltend machen kann.

Überhaupt komme das Aneignungsrecht des Bundes lediglich als ultima ratio immer nur dann zum Tragen, wenn alle anderen erbrechtlichen Berufungsgründe ausscheiden.

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