Waisen gegenüber Witwen und Pflichtteilsberechtigten benachteiligt!

In einer Entscheidung vom 28.03.2017, 2 Ob 128/16m, NZ 2017/91, 266, hat der Oberste Gerichtshof kürzlich seine bisherige Judikatur zur Rangfolge erbrechtlicher Ansprüche bekräftigt, wonach „das Pflichtteilsrecht als nicht zu beschneidende Mindestgarantie der Familienerbfolge anzusehen“ und dem entsprechend Unterhaltsansprüche von Waisen nachrangig seien.

Gemäß § 233 ABGB geht die Schuld eines Elternteils, seinen Kindern Unterhalt zu leisten, bis zum Wert der Verlassenschaft auf die Erben über.

Auf den Anspruch des Kindes ist dabei alles anzurechnen, was es nach dem Verstorbenen durch eine vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil oder durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält.

Reicht der Wert der Verlassenschaft nicht aus, um dem Kind den geschuldeten Unterhalt bis zum voraussichtlichen Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit zu sichern, mindert sich sein Anspruch entsprechend.

Dabei handelt es sich um einen völlig eigenständigen gesetzlichen Unterhaltsanspruch aus der Erbfolge heraus, also um eine erbrechtliche und nicht etwa um eine familienrechtliche Nachlassverbindlichkeit.

Daraus folgert der Oberste Gerichtshof in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass der Waisenunterhalt zwar gegenüber Vermächtnissen vorrangig zu befriedigen ist, nicht aber im Verhältnis zu Pflichtteilsansprüchen.

Im Gegensatz dazu werden versorgte Pflichtteilsberechtigte von Unterhaltsansprüchen der Ehegatten und eingetragenen Partner sehr wohl verdrängt (siehe dazu den Blog vom 22.09.2017).

Das alles mag in juristischer Hinsicht zutreffend sein.

Eine rechtspolitische Begründung für diese Benachteiligung von Waisen gegenüber Witwen/Witwern, geschweige denn gegenüber Pflichtteilsberechtigten ist hingegen nicht wirklich erkennbar.

Wieder einmal läge es am Gesetzgeber, hier klärend und korrigierend einzugreifen.

 

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Foto und Fotobearbeitung: Sarah Hettegger, © Copyright 2017