Vorsorgevollmacht – dünnes Eis für Betroffene und Bevollmächtigte

Die Möglichkeit, eine Vorsorgevollmacht zu errichten, zählt längst zu den tragenden Säulen jeder experten-begleiteten Zukunftsplanung.

Immerhin lassen sich dadurch unter der Maxime weitestgehender Selbstbestimmung nicht nur die bevollmächtigten Personen nach eigenen Vorstellungen auswählen, sondern vor allem auch alle wesentlichen Regeln festlegen, an denen sie sich im Vorsorgefall später zu orientieren haben.

Dennoch zeigt die Praxis immer wieder, dass Betroffene und Bevollmächtigte die sich daraus ergebenden Herausforderungen tendenziell unterschätzen.

Das beginnt bereits bei vermeintlichen Kleinigkeiten, wie dem Umstand, dass jede Vollmachtsübernahme natürlich auch mit Haftungsfolgen verbunden ist und endet nicht selten darin, dass Bevollmächtigte dereinst von Erben und Pflichtteilsberechtigten speziell dann besonders hingebungsvoll „gegrillt“ werden, wenn es sich um Angehörige und/oder (Mit-) Erben handelt. Daraus resultierende Verdächtigungen, Auseinandersetzungen und (nicht allein finanzielle) Konsequenzen sind mindestens schmerzlich, teilweise sogar existenzgefährdend, etwa wenn übersehen wurde, vorsorglich wenigstens eine Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung mit ausreichend hoch dotierten Deckungssummen abzuschließen.

Umgekehrt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass eine laufende gerichtliche Überwachung Vorsorgebevollmächtigter an sich nicht stattfindet und das Pflegschaftsgericht nur ausnahmsweise in besonders schwerwiegenden Fällen anlassbezogen einschreitet. Das eröffnet einerseits passgenaue Gestaltungsmöglichkeiten, andererseits aber natürlich auch einen gewissen Missbrauchsspielraum für Bevollmächtigte, denen es an der notwendigen Belastbarkeit in professioneller und charakterlicher Hinsicht mangelt.

Die Problematik ist in Praxis und Schrifttum längst erkannt, wird allerdings in der breiten Öffentlichkeit noch zu wenig offen diskutiert. Einen sehr lesenswerten Beitrag dazu hat Dr. Bertil Sander, Stellvertretender Leiter des NRK-Sekretariats, Berlin, in ZErb 4/2023, 121, veröffentlicht unter dem Titel „Missbrauch von Vorsorgevollmachten — ein ungelöstes Problem“, in dem er konstatiert, dass „Vollmachtgeber und ihre Erben keineswegs so sicher [seien] wie sie vielleicht glauben. Wer über ein wenig emotionale Geschicklichkeit und zugleich über die nötige kriminelle Energie verfügt, findet weiterhin ein reiches Betätigungsfeld für den lukrativen Missbrauch von Vorsorgevollmachten.“

Unabhängig davon, ob man die in diesem Artikel angeführten Beispiele als lediglich panikverursachende statistische Ausreißer oder als warnende Hinweise verstanden haben möchte, gilt es doch ebenso wie in der Medizin stets zu beachten, dass nicht jedes Wundermittel immer allen gleichermaßen anzuraten und vor allem auch die richtige Dosierung auf jeden Einzelfall exakt anzupassen ist.

Wer hingegen seine Vorsorgevollmacht nur als lästiges „Formular“ oder umgekehrt seine Bereitschaft zur Vertretungsübernahme als von jedem Laien ohne weiteres erfüllbaren „Freundschaftsdienst“ versteht, könnte sich dadurch in eine unangenehme Situation manövrieren, die sich im Nachhinein kaum mehr entschärfen lässt.

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