Urgroßvaters Sparbuch-Blockade

Sprichwörtlich ist gut gemeint manchmal das Gegenteil von gut gemacht.

Besonders ältere, zeitlebens an Geduld gewöhnte Menschen bedenken oft zu wenig, welche Nachteile allein mit einem zeitlichen Aufschub bei letztwilligen Zuwendungen verbunden sein können.

Wer hätte gedacht, dass sich selbst die in der Vergangenheit so beliebten Sparbücher dereinst als geradezu toxische Wertvernichtungsvehikel herausstellen könnten und faktisch jeder Tag, an dem (noch) kein Zugriff auf die Guthaben ermöglicht wird, ein sinnbildlich verlorener ist.

Dieses Dilemma spiegelt sich sehr anschaulich in einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28.09.2017, 2 Ob 84/17t, EF Z 2018/21, 37, EvBl 2018/45, 311, NZ 2018/21, 69, wider.

Der Verstorbene hatte seinem minderjährigen Urgroßenkel testamentarisch einen Geldbetrag von € 31.323,68 vermacht und dazu Folgendes verfügt:

„Der Betrag ist von meinen Erben auf einem Kapitalsparbuch sicherzustellen, welches bei XY als Legatsvollstrecker zu hinterlegen ist. Diesem erteile ich den unwiderruflichen Auftrag, das Legat meinem Urenkelsohn nach Erreichen seines 18. Lebensjahres auszuhändigen.“

Daraus entwickelte sich ein geradezu kafkaesk anmutender Reigen von Wirrnissen und Problemen.

Zunächst wurde XY im Zuge der Einantwortung vom Verlassenschaftsgericht „ermächtigt und beauftragt“, den Legatsbetrag auf „einem Kapitalsparbuch einzuzahlen, welches er nach Erreichen des 18. Lebensjahrs [des Minderjährigen] diesem auszuhändigen hat“.

Das gleichzeitig verständigte Pflegschaftsgericht „sperrte“ sodann das von XY pflichtgemäß eingerichtete Sparbuch, was jedoch von der Bank mit dem Hinweis darauf abgelehnt wurde, dass es eben nicht auf den Minderjährigen, sondern auf XY laute. XY wiederum wollte das Sparbuch nicht auf den Namen des Minderjährigen „umidentifizieren“ lassen und auch nicht an dessen Eltern herausgeben.

Daraufhin trug das Pflegschaftsgericht XY auf, den vermachten Betrag auf ein auf den Minderjährigen lautendes Sparbuch anzulegen (gegebenenfalls unter Mitwirkung der Eltern) und dieses Sparbuch bzw eine Kopie dem Gericht zur „weiteren Veranlassung und Bestätigung“ vorzulegen.

Gegen diesen Beschluss und gegen die bestätigende Rekursentscheidung erhob XY jeweils Rechtsmittel. Er bekam (allerdings erst) vor dem Obersten Gerichtshof recht, der Folgendes dazu ausführte:

Beim Minderjährigen handle es sich um einen uneigentlichen Nachlegatar, wobei im Gegenstand noch die gesetzlichen Bestimmungen vor dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015 anzuwenden seien.

Soferne das Vermächtnis – wie vorliegend – mit einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung versehen sei, könne es der Legatar erst mit Eintritt der Bedingung oder des Termins, hier also frühestens bei Erreichen seines 18. Lebensjahres durchsetzen.

Das betreffende Legat wäre daher richtigerweise bereits im Verlassenschaftsverfahren vor der Einantwortung von den Erben sicherzustellen oder andernfalls vom Verlassenschaftsgericht diesbezüglich ein vollstreckbarer Beschluss zu erlassen gewesen.

Das Pflegschaftsgericht sei hingegen überhaupt nicht zuständig, sodass dessen Anordnungen aufzuheben waren.

Hingegen bleibe es den Eltern unbenommen, im Verlassenschaftsverfahren die – bisher nicht erfolgte – Zustellung des Einantwortungsbeschlusses zu beantragen und in der Folge gegen diesen Rekurs zu erheben.

Das bedeutete im Ergebnis „Zurück an den Start“ mit weiteren Verfahrensschritten, Rechtsmittelmöglichkeiten und Verzögerungen.

Das Sparguthaben muss aber auch unabhängig davon in Folge der Vorgaben des Verstorbenen bis zum 18. Geburtstag des Urenkels unbedingt auf einem Sparbuch verbleiben. Vorher besteht keine Möglichkeit, die Blockade zu überwinden und das Geld in einer anderen, allenfalls sogar sichereren Weise zu investieren.

So hat sich das der Urgroßvater wohl eher nicht vorgestellt, aber nun einmal verfügt.






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