ÜBERGABE – PFLEGEKOSTEN – FINANZAMT!

In Anbetracht sich leerender Sozialkassen gewinnt der berechtigte Wunsch vieler Übergeber nach Berücksichtigung von Versorgungs- und Pflegeleistungen in Übergabeverträgen zunehmend an Bedeutung. Historisch gehörten derartige Austragsklauseln speziell im bäuerlichen Bereich zum fixen Vertragsbestandteil und führten nicht selten zu einer harten Belastung der Übernehmer. Siehe dazu den Blog vom 30.05.2014, „Die Nachbringungsverpflichtung“.

Der Wohlfahrtsstaat hat nach dem zweiten Weltkrieg die Notwendigkeit dafür zunehmend reduziert. Entsprechend selten finden sich deshalb heutzutage derartige Vereinbarungen, die zum Verlust von Sozialleistungen führen, vor allem aber angesichts laufend steigender Pflegekosten auch für die Übernehmer existenzgefährdende Konsequenzen mit sich bringen können.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen der vorrangigen Heranziehung eigener Vermögenswerte vor der Inanspruchnahme öffentlicher Zuwendungen durchaus nachvollziehbar und berechtigt. Schließlich sollen Sozialhilfe nur wirklich Bedürftige genießen und nicht auch jene, die sich beispielsweise in hohem Alter durch Schenkungen an nahe Angehörige vorsätzlich vermögensentkleiden, um die Kosten ihrer Pflege nicht ihren Lieben, sondern der Allgemeinheit anzulasten.

Nicht einzusehen und im Übrigen auch viel zu selten bedacht ist hingegen der Umstand, dass der Fiskus stets ein Auge auf Übergabeverträge wirft, und zwar keineswegs nur wegen der ab 01.01.2016 noch höheren Grunderwerbsteuer und grundbücherlichen Eintragungsgebühren.

Jeder Konnex zwischen dem erhaltenen Gut und etwaigen Versorgungsleistungen an die Übergeber führt nämlich später zum Verlust der steuerlichen Absetzbarkeit des Pflegeaufwandes durch unterhaltspflichtige Übernehmer.

Der Verwaltungsgerichtshof versagt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung die Anerkennung von Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung, sofern es „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Vermögens und der geltend gemachten Belastung“ gibt (VwGH 29.04.2015, 2012/13/0012).

Nach dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.04.2015 schloss ein in Wien lebender Steuerpflichtiger im August 2005 mit seinen in Kärnten lebenden, 1923 (Vater) und 1929 (Mutter) geborenen Eltern einen Übergabsvertrag ab über die von den Eltern bewohnte und je zur Hälfte in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken samt Einfamilienhaus. Er übernahm die Immobilie in sein Alleineigentum unter Vorbehalt eines Wohnungsgebrauchsrechtes der Eltern am Haus sowie eines Fruchtgenussrechtes hinsichtlich der unbebauten Teile der Liegenschaft und verpflichtete sich, das Übergabsobjekt ohne Zustimmung der Übergeber weder zu belasten noch zu veräußern.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 machte er EUR 17.155,39 an Aufwendungen für die häusliche Pflege seiner nach mehreren Schlaganfällen betreuungsbedürftigen und im Februar 2009 verstorbenen Mutter als außergewöhnliche Belastung geltend. Vom Finanzamt wurde dies mit dem lapidaren Hinweis abgelehnt, der von ihm getragene Aufwand übersteige „nicht das freiwillig erworbene Vermögen„. Nur weil das Finanzamt über dessen Höhe und sonstige Sachverhaltsmerkmale keine ordentlichen Feststellungen getroffen hatte, konnte der Sohn schlussendlich im Instanzenwege obsiegen.

Grundsätzlich aber hielt der Verwaltungsgerichtshof unter explizitem Hinweis auf die Entscheidung vom 21.11.2013, 2010/15/0130, an seiner bis in das Jahr 1959 zurück reichenden, äußerst restriktiven Judikaturlinie fest. Diesem Erkenntnis vom 21.11.2013 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Steuerpflichtiger machte in seiner Einkommensteuererklärung 2007 Pflegeheimkosten für den Vater in Höhe von EUR 15.400,00 als außergewöhnliche Belastung geltend, von dem er bereits im Jahre 2000 eine Wohnung erhalten hatte. Verneint wurde letztendlich – in Anknüpfung an Entscheidungen des Bundesfinanzhofes – die dafür vorausgesetzte Zwangsläufigkeit der Belastung, weil der Steuerpflichtige sie durch Annahme der Schenkung und somit durch ein freiwilliges Verhalten selbst mitverursacht habe. Sein Vater sei zur Zeit der Übereignung der Eigentumswohnung bereits 76 Jahre alt gewesen. In diesem Alter müsse, auch wenn keine Anzeichen erkennbar sind, stets mit dem Eintritt einer Pflegebedürftigkeit gerechnet werden. Habe der Vater außer der Wohnung über keine weiteren Vermögenswerte zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit verfügt, so stelle sich seine spätere Unterhaltsverpflichtung (er hatte die Wohnung im Jahr 2006 um mehr als das Zehnfache des geltend gemachten Betrages verkauft) als adäquate Folge der vorbehaltlosen Annahme der Schenkung dar. Der Fall sei schließlich gleich zu beurteilen wie jener, in dem sich der Geschenkgeber entsprechende Unterstützungsleistungen bei einer späteren Pflegebedürftigkeit ausdrücklich ausbedinge. Soweit und solange in einer solchen Konstellation die Aufwendungen den Wert des übertragenen Vermögens nicht überstiegen, sei ihre Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung in beiden Fällen ausgeschlossen.

Im Ergebnis wird man also bei Übergabeverträgen in steuerrechtlicher Hinsicht darauf zu achten haben, wer konkret Übernehmer des Vermögens sein soll. Ist sie oder er nämlich gegenüber den Übergebern bzw Erblassern unterhaltspflichtig, verlieren sie bis zum Wert des Erhaltenen die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Versorgungskosten im Sinne des § 34 Abs 7 Z 4 EStG. Ähnliches gilt übrigens auch bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Siehe zur diesbezüglich eingeschränkten Verlustverwertbarkeit den Blog vom 20.03.2015, „Wer den Verlust erbt“.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.04.2015, 2012/13/0012, dem allzu oberflächlich argumentierenden Finanzamt derart präzise die Leviten gelesen und ihm de facto eine Handlungsanleitung zur richtigen Fallbearbeitung vorgegeben hat, sollte künftig auch mit diesen seltenen Glücksfällen nicht mehr spekuliert werden.

Näheres zu diesem Thema finden Sie auch in den Beiträgen vom 31.01.2014, 08.05.2015, 25.09.2015, 22.07.2016, 30.09.2016, 24.02.2017, 10.11.2017, 17.11.2017, 24.11.2017, 20.04.2018, 13.07.2018, 27.07.2018, 14.09.2018, 14.12.2018, 08.03.2019, 29.03.2019, 17.04.2020, 08.05.2020 und 29.05.2020.