Testamente eignen sich nicht für verbale Abrechnungen

Es gibt Ärgernisse, die man sprichwörtlich sein ganzes Leben lang nicht loswird.

Wer sich seinen Frust von der Seele schreiben will, aber zu Lebzeiten keine Veröffentlichung oder auch nur Verlesung der Standpauke wünscht, sollte das in großem Zorne produzierte Pamphlet nicht unbedingt in seine letztwillige Verfügung aufnehmen oder als solche titulieren.

Mag es einen auch wenig bekümmern, dass die in Frage kommenden Adressaten sich bei missverständlichen Texten umso heftiger um das Erbe streiten, gilt es dennoch zu bedenken, dass in österreichischen Verlassenschaftsverfahren überhaupt keine „Testamentsverlesung“ vorgesehen ist, geschweige denn in einem auch nur annähernd so theatralisch-kitschigen Rahmen, wie es Hollywood in einschlägigen Filmen zu suggerieren vermag.

Vielmehr hat der Gerichtskommissär lediglich eine beglaubigte Abschrift der Urkunde zum Akt zu nehmen und (nur!) den Parteien sowie den als gesetzliche Erben in Frage kommenden Personen eine unbeglaubigte Abschrift (also eine Kopie) zuzustellen, während die Originalurkunde in Gerichtsverwahrung bleibt.

Mit anderen Worten erfahren vom Inhalt einer letztwilligen Verfügung abgesehen von Gerichtskommissär und Verlassenschaftsgericht nur jene Personen, die darin begünstigt werden oder gesetzliche Erben des/r Verstorbenen sind, aber niemand sonst.

Wem also daran gelegen ist, sein Mütchen post mortem zu kühlen, sollte sich dessen bewusst sein.

Man kann ja seine Vermögensnachfolge als solches möglichst sachlich regeln und – wenn es denn unbedingt sein soll – die dadurch Begünstigten mit entsprechenden Auflagen zur Veröffentlichung eines gesonderten Textes bzw einer Sprach- oder Videobotschaft verpflichten.

Auch hier ist allerdings Vorsicht geboten und professionelle Unterstützung anzuraten.

Gehen einem nämlich textlich die Pferde allzu heftig durch, kann es passieren, dass die Befolgung der erwünschten Aktion schlussendlich an rechtlichen Hindernissen scheitert.

Unmögliche, gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen gelten nämlich ex lege als dem letzten Willen nicht beigesetzt.

Also vielleicht doch lieber mit einem Roman beginnen?



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