Steueroptimales Timing bei Erbschaften

Jede Erbschaftsabwicklung bedeutet emotionalen Stress. Alle Beteiligten wünschen sich, möglichst nicht in Streit zu geraten und die Angelegenheit rasch über die Bühne zu bringen. Das ist verständlich und vom Grundgedanken her auch vernünftig.

Allerdings lassen sich eine Vielzahl in übertriebener Eile getroffener Entscheidungen im Nachhinein nicht mehr revidieren. Umgekehrt kann aber auch jeder Aufschub der Vermögensaufteilung für die Zeit nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens problematisch sein.

Auf drohende Nachteile in erb- und verfahrensrechtlichen Belangen wurde bereits mehrfach hingewiesen. Siehe dazu beispielsweise die Blogs vom 02.05.2015: „Banken verbergen mehr als sie dürfen“, vom 14.08.2015: „Achtung! Die Ausschlagung einer Erbschaft ist unwiderruflich!“ und vom 04.09.2015: „>Bei Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung sind Sie persönlich dran!< ist keine ordentliche Belehrung!“.

Ähnliches gilt für den abgabenrechtlichen Bereich. Einzelne Besonderheiten dazu finden sich beispielhaft in den Blogs vom 21.03.2014: „Death & Taxes“, vom 20.03.2015 „Wer den Verlust erbt“ und zuletzt vom 18.12.2015: „Ab 2016 wird das Elternhaus zur Steuerfalle!“.

Generell kann als Grundregel postuliert werden, dass eine klare strategische Ausrichtung noch zu Lebzeiten in jeder Hinsicht vorteilhaft ist. Nicht nur, weil Schenkungen und Übergaben zu Lebzeiten tendenziell steuerbegünstigt sind, sondern vor allem, weil einer besonnenen Umsetzung in der gebotenen Ruhe unbedingt der Vorzug einzuräumen ist, gegenüber hektischem Aktionismus nach einem Trauerfall.

Anhand eines in der laufenden Erbrechtspraxis immer wieder vorkommenden Problemfeldes lässt sich die Bedeutung des richtigen Timings anschaulich darstellen.

Das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) enthält nämlich eine Reihe von Steuerbegünstigungen für nachlassbezogene Transaktionen, die jedoch ex lege nur dann lukriert werden können, wenn die jeweilige Liegenschaftsübertragung „VOR“ Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart wird.

Etwa ist gemäß § 3 Abs 1 Z 7a GrEStG der Erwerb einer Wohnstätte oder eines Anteils an dieser durch Erbanfall, Vermächtnis oder Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs von der Besteuerung gänzlich ausgenommen, soferne die Leistung an Erfüllungs statt vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart wird, das Grundstück dem Erwerber im Zeitpunkt des Todes als Hauptwohnsitz gedient hat und die Wohnnutzfläche 150 m² nicht übersteigt.

Auch für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke sieht § 4 Abs 2 GrEStG eine großzügige Reduktion der Bemessungsgrundlage auf lediglich den einfachen Einheitswert beim Erwerb durch enge Angehörige vor, allerdings ebenso nur im Falle einer Übertragung zu Lebzeiten sowie in Folge eines Erbanfalls, Vermächtnisses oder in Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs, wenn die Vereinbarung vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens getroffen wird.

Überhaupt setzt die mit weitreichenden Tarifbegünstigungen verbundene Qualifikation einer Immobilientransaktion als „unentgeltlich“ voraus, dass man den Grundstückserwerb durch Erbanfall, Vermächtnis oder Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vereinbart.

Nicht selten tappen Parteien eines Verlassenschaftsverfahrens aus ihrem emotional verständlichen Harmonie- oder Ausweichbedürfnis heraus in diese steuerrechtliche Falle, indem sie die Einigung im Familienkreis auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, sobald eben „sämtliche Formalitäten“ erledigt sind.

Ungeachtet aller Anspannung und situativer Überforderung sollte man sich dennoch zu keinen unüberlegten Maßnahmen oder Verzögerungen hinreißen lassen. Nach geltender Rechtslage führt dies nämlich meistens zu erheblichen Mehrkosten, die bei planvoller und rechtzeitiger Umsetzung durchaus vermeidbar sind.