Sittenwidrige Auflagen in Testamenten unbeachtlich!
Darf eine Mutter ihrem Sohn testamentarisch vorschreiben, welche Religion seine zukünftige Ehefrau haben soll oder handelt es sich hierbei um eine unzulässige letztwillige Diskriminierung?
Mit dieser Frage beschäftigte sich schon vor langer Zeit der Oberste Gerichtshof, nämlich in einem Erkenntnis vom 08.09.1926, Ob II 585/26, SZ 8/251.
Zusammenfassend lag der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Testament einer gewissen Frau Rebekka M. sah vor, dass die Juwelen, das Silber und das Kristall (gemeint wahrscheinlich Silberbesteck und Kristallgläser) ihr Sohn Ludwig M. erhalten solle.
Dieses Vorausvermächtnis (laut seinerzeitiger Diktion des Obersten Gerichtshofs „Vorvermächtnis“) wurde an die Bedingung geknüpft, dass der Vermächtnisnehmer bei seiner Verehelichung nur eine Jüdin heiraten dürfe, die dies auch von Geburt an war. Andernfalls sollte diese Gegenstände nicht der Sohn, sondern ein Ersatzvermächtnisnehmer erhalten.
Ludwig M. heiratete am 28. Jänner 1924 Frau Antonia B., die den religiösen Vorgaben in der letztwilligen Verfügung seiner Mutter tatsächlich nicht entsprach. Daraufhin versuchte der Ersatzvermächtnisnehmer seine Ansprüche auf gerichtlichem Wege durchzusetzen, scheiterte jedoch in allen Instanzen.
Der Oberste Gerichtshof führte in seiner nach wie vor häufig zitierten Entscheidung dazu Folgendes aus:
Zwar habe (Anmerkung: der durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 mittlerweile aufgehobene) § 700 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) grundsätzlich die Bedingung zugelassen, ein Verbot über die Verehelichung mit einer bestimmten Person anzuordnen.
Dennoch seien die letztwilligen Auflagen der Mutter an den Sohn im konkreten Fall als nicht beigesetzt anzusehen.
Es verstoße nämlich gegen die guten Sitten, dem Vermächtnisnehmer vorzuschreiben, aus welcher Kategorie Mensch (Konfession, Nation…) seine Gattin zu entstammen habe.
Abgesehen davon würde eine derartige Beschränkung der Ehefreiheit eine erhebliche Unsicherheit in der Rechtsnachfolge nach dem Verstorbenen mit sich bringen, da es nicht immer leicht sein dürfte, dessen Willen mit Zuverlässigkeit zu erforschen und dadurch das Ermessen des Richters bei seiner Entscheidung auf einem nur sehr schwankenden Untergrund stünde.
Obgleich die seinerzeit noch relevante Bestimmung des § 700 ABGB inzwischen außer Kraft getreten ist, bleibt dieses Erkenntnis nach wie vor beachtenswert und damit weiterhin als Orientierungshilfe bedeutsam, wenn es darum geht, letztwillige Verfügungen so korrekt zu formulieren, dass sie später unter anderem auch einer Sittenwidrigkeitskontrolle jedenfalls standhalten.
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