Sind Gehörlose „fähige“ Testamentszeugen?
Nicht jeder ist geeignet als Testamentszeuge.
Die gesetzlichen Vorgaben sehen auch nach dem Inkrafttreten des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 (im Wesentlichen) per 01.01.2017 spezifische Anforderungen vor, die einen „fähigen Zeugen“ ausmachen.
Diese betrafen und betreffen weiterhin hauptsächlich Mindestalter, geistige und körperliche Eigenschaften sowie Nahebeziehungen, die zu Interessenskonflikten führen könnten.
Seit Jahresbeginn 2017 wurde nun für alle „fremdhändigen Verfügungen“ die mündliche Bekräftigung des Testators gegenüber drei Zeugen, „daß der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte“ (so genannten „Nuncupatio“ gemäß § 579 ABGB alte Fassung) abgelöst durch einen auf der Urkunde anzubringenden „eigenhändig geschriebenen Zusatz …, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält“ (§ 579 ABGB neue Fassung).
Mit diesem Austausch der Mündlichkeit durch Schriftlichkeit sollte eigentlich die bis zuletzt strittige Frage in den Hintergrund treten, ob die Bekräftigung des letzten Willens von den Testamentszeugen auch persönlich gehört werden muss, also Menschen mit Hörbehinderung „fähige“ Testamentszeugen sein können.
Zwar wurde vom Obersten Gerichtshof zur bisherigen Rechtslage eine tendenziell großzügige Linie vertreten, doch ist aus den einschlägigen Entscheidungen lediglich der Leitsatz abzuleiten, dass es grundsätzlich nicht schaden würde, wenn einzelne Testamentszeugen die Erklärung des Testators tatsächlich nicht gehört hätten (OGH 06.11.1957, 1 Ob 578/57, SZ 30/66; ua).
Soweit ersichtlich, liegt aber keine (veröffentlichte) Entscheidung dazu vor, ob Menschen mit einer Hörbehinderung als „unfähige Zeugen bei letzten Anordnungen“ zu betrachten waren.
§ 591 ABGB in der alten Fassung bis 31.12.2016 sah lediglich im Allgemeinen vor, dass unter anderem „Personen, denen auf Grund einer Behinderung die Fähigkeit fehlt, entsprechend der jeweiligen Testamentsform den letzten Willen des Erblassers zu bezeugen, sowie diejenigen, welche die Sprache des Erblassers nicht verstehen, … bei letzten Anordnungen nicht Zeugen sein“ konnten.
Auch die seit 01.01.2017 auf § 587 ABGB (neu) verlagerte Regelung hat daran im Kern nichts geändert, weil nach wie vor „Personen, die auf Grund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung nicht fähig sind, entsprechend der jeweiligen Testamentsform einen letzten Willen zu bezeugen, sowie Personen, die die Sprache des letztwillig Verfügenden nicht verstehen, … nicht Zeugen letztwilliger Verfügungen sein“ können.
Demnach bleibt die Beiziehung von Menschen mit einer Hörbehinderung als Testamentszeugen trotz gesetzlicher Erleichterungen weiterhin riskant und sollte deshalb aus Vorsichtsgründen vermieden werden.