Der Pflichtteil – ein ewiges Ärgernis!
Endlich und sehr ambitioniert wurde von unserem neuen Justizminister angekündigt, das Erb- und Pflichtteilsrecht solle reformiert werden. Immerhin gehen seine Wurzeln zurück bis in die Antike und wir verwenden teilweise immer noch Normen, die es schon seit der Einführung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1811, also mittlerweile rund 200 Jahren lang gibt.
Unter anderem soll es nun zu gravierenden Änderungen im Bereich des Pflichtteilsrechtes kommen – einem besonders heißen Eisen in der täglichen Erbrechtspraxis.
Schon die Wortbestandteile „Pflicht“ und „Teil“ erzeugen Unbehagen, suggerieren sie doch sehr treffend einerseits Zwang und andererseits Unvollständigkeit. Allerdings umschreibt kaum ein anderes von Juristen ersonnenes Wort so präzise den Kern der Angelegenheit und stellt eigentlich von vorneherein klar, dass in diesem Metier niemand wirklich glücklich werden kann.
Gewiss nicht die Erblasser selbst, deren Handlungsspielraum gesetzlich dermaßen eingeengt wird, dass manche von „postmortaler Enteignung“ sprechen.
Die auf den Pflichtteil beschränkten Erben nennt man nicht umsonst „Noterben“. Abgesehen von den rein finanziellen Einbußen kommt hier auch noch die persönliche Zurücksetzung durch den Erblasser / die Erblasserin hinzu. Pflichtteilsbeschränkung setzt nämlich eine testamentarische Anordnung, also gewissermaßen systemimmanent einen überaus unfreundlichen Akt gegenüber sehr nahen Verwandten voraus.
Aber selbst jene, denen der Löwenanteil, das Erbe an sich, zukommt, haben üblicherweise keine Freude mit den Pflichtteilsberechtigten, weil sie ihnen beinahe zwangsläufig lästig, grantig und habgierig erscheinen müssen. Erben wollen meistens ALLES, außer eben teilen!
Je nach Perspektive ist die geltende Rechtslage also schlecht oder sehr schlecht. Richtig gut findet sie wohl keiner und das wird sich auch in Zukunft kaum ändern lassen.
Beispielsweise gibt es zum Wunsch der Wirtschaft, Unternehmensübergaben oder –erbschaften pflichtteilsrechtlich zu entlasten, längst ein abschreckendes Paradebeispiel dafür, zu welch haarsträubend ungerechten Ergebnissen dies im Übertreibungsfalle führen kann.
Mit dem Anerbengesetz bzw den Erb-Höfegesetzen von Tirol und Kärnten werden die so genannten „Anerben“, also die Hofübernehmer unter dem Titel der Erhaltung eines gesunden Bauernstandes unglaublich privilegiert, sodass die übrigen Nachkommen der Erblasser, die so genannten „weichenden Kinder“, sinnbildlich nur mit einem Butterbrot abgespeist werden.
Das mag in historischer Betrachtung irgendwann einmal seine Berechtigung gehabt haben, gehörte aber wohl bedeutend dringlicher reformiert, besser noch, ersatzlos abgeschafft, als die eine oder andere Unebenheit im erbrechtlichen Umgang mit Unternehmen. Hier kann es nämlich bei entsprechend vorausschauender Übergabe- und Generationenfolgeplanung durchaus gelingen, schon zu Lebzeiten passende Lösungen zu finden, mit denen sich die Belastung des Familienunternehmens weitest gehend in einem erträglichen Rahmen halten lässt.
Pflichtteilsrecht ist eben eine sehr heikle Materie und man hüte sich vor neuerlichen Privilegien einzelner Gesellschaftsschichten oder Vermögensarten. Wie man es aus dem bäuerlichen Bereich hinreichend kennt, wird man die einmal gerufenen Besen selten wieder los.