Obacht auf Unterhaltspflichten bei Erb- und Pflichtteilsabfindungen!
Erbrecht hält als Spezialmaterie selbst für ausgewiesene ExpertInnen immer wieder ungeahnte Fallkonstellationen und Überraschungen bereit.
Umso sorgfältiger und vorausschauender gilt es vertragliche Vereinbarungen oder letztwillige Verfügungen zu gestalten.
Die hier zu beachtenden Überschneidungen mit anderen Rechtsgebieten beschränken sich dabei keineswegs nur auf rein sachen- oder steuerrechtliche Belange.
Wer nämlich meint, in der Euphorie der Auszahlung oder Vorwegabgeltung einer großen „Erbschaft“ alle anderen daraus resultierenden Konsequenzen ausblenden zu dürfen, irrt.
Das zeigt einmal mehr eine eigentlich unterhaltsrechtliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 15.12.2022, 3 Ob 192/22i, EF-Z 2023/55, 127, (Gitschthaler), die sich mit den Auswirkungen vertraglicher und erbrechtlicher Ansprüche auf laufende Unterhaltsverpflichtungen auseinandersetzt.
Der unterhaltspflichtige Vater eines minderjährigen Sohnes erhielt seinerseits von seinem Vater (dem Großvater des Unterhaltsberechtigten) in Folge einer „Vereinbarung, Vermächtnis und Pflichtteilsanrechnungsanordnung“ zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten jährliche Zahlungen von mindestens 50.000 EUR, bezog daneben jedoch keine nennenswerten Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit.
Fraglich war nun, ob diese laufenden Zahlungen zur Vorwegabgeltung für (spätere) Erb- und Pflichtteilsansprüche in die Unterhaltsbemessungsgrundlage an den (Enkel-) Sohn einzubeziehen sind.
Dies wurde in der konkreten Fallkonstellation vom Obersten Gerichtshof bejaht und er hielt ganz allgemein leitlinienmäßig zur Beachtung für Urkundenverfasser Folgendes fest:
Zum als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen zählen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann; ausgenommen sind solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen.
Bloß freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche Zuwendungen von Familienangehörigen, die ohne rechtliche Verpflichtung aus familiären Gründen erbracht werden, fallen nicht darunter.
Hingegen erhöhen Zuwendungen an den Unterhaltspflichtigen, auf die er einen Rechtsanspruch hat, die Bemessungsgrundlage.
Auch Geldbeträge, die dem Unterhaltspflichtigen aus einem erbrechtlichen Anspruch, wie etwa zur Abfindung seiner Erbansprüche oder Pflichtteilsansprüche zufließen, dürfen bei der Beurteilung seiner Kräfte nicht unberücksichtigt bleiben, soweit sie es ihm gestatten, seiner Verpflichtung zur Leistung des auch danach zu beurteilenden angemessenen Unterhalts nachzukommen.
Dem kleinen Unterhaltsberechtigten kam also zugute, dass sein Großvater und Vater der Textierung ihrer Vereinbarung offenkundig eine Spur zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt oder schlichtweg spätere Unterhaltsstreitigkeiten nicht im Fokus hatten.
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