Minderjährige Enkelinnen retten Mietrecht der verstorbenen Großmutter!

Bestimmte eintrittsberechtigte Personen sind nach dem Tod des Hauptmieters einer Wohnung berechtigt, in den Mietvertrag einzutreten (siehe dazu den Blog vom 27.04.2018).

Eintrittsberechtigt sind unter anderem (Enkel-)Kinder des bisherigen Mieters, sofern ein dringendes Wohnbedürfnis vorliegt und sie schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben.

Sind mehrere Personen eintrittsberechtigt, so treten sie gemeinsam in den Mietvertrag ein und haften zur ungeteilten Hand für alle daraus resultierenden Verpflichtungen.

Eine derartige Konstellation lag der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 20.02.2018, 4Ob16/18h, Zak 2018/216, zugrunde.

Die Mieterin einer Wohnung in Wien verstarb am 24.07.2016. Da ihr Sohn ab Jänner 2015 beruflich nach Deutschland übersiedelte, zog im April 2015 ihre spätere Schwiegertochter gemeinsam mit der am 03.10.2013 geborenen (Enkel-)Tochter in die von der Vermieterin sogleich nach dem Tod der Mieterin aufgekündigte Wohnung.

Am 27.11.2015 kam die zweite Enkelin der damaligen Mieterin zur Welt, die ab der Geburt gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrer Großmutter und ihrer älteren Schwester in der aufgekündigten Wohnung wohnte. Im April 2016 kehrte der Sohn aus Deutschland zurück und wohnte seither ebenfalls in der besagten Wohnung.

Nach erfolgter Aufkündigung erhob die Verlassenschaft nach der verstorbenen Mieterin bzw (Groß-)Mutter Einwendungen dagegen und war in allen drei Instanzen erfolgreich, obgleich sie sich gefährlicherweise nur auf das Eintrittsrecht der beiden minderjährigen Enkelinnen berufen hatte, nicht hingegen auf die Berechtigung des Sohnes.

Gemäß § 30 Abs 2 Z 5 des Mietrechtsgesetzes (MRG) kann der Vermieter einen Mietvertrag kündigen, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis nach § 14 Abs 3 MRG eintrittsberechtigter Personen dienen.

Der Eintritt in den Mietvertrag erfolgt für den privilegierten Angehörigenkreis schon kraft Gesetzes, es sei denn, die potenziell eintrittsberechtigten Personen würden Gegenteiliges bekanntgeben.

Somit sind für die Fortsetzung des Mietverhältnisses an sich keine besonderen Veranlassungen erforderlich, sofern im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters sämtliche gesetzlichen Eintrittsvoraussetzungen vorliegen.

Dazu zählen neben der familiären Nahebeziehung (hier Verwandte in gerader Linie) der gemeinsame Haushalt mit der bisherigen Mieterin in der betreffenden Wohnung sowie ein weiterbestehendes dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung.

Wer behauptet, eintrittsberechtigt zu sein, hat dies durch konkretes Vorbringen zu untermauern und zu beweisen.

Die gerichtliche Prüfung wird dabei stets durch den Umfang der Einwendungen gegen die Aufkündigung begrenzt und erfasst nicht auch andere Sachverhalte oder dritte Personen, die unerwähnt geblieben sind.

Deshalb war im Gegenstand ein etwaiges Eintrittsrecht des Sohnes der Verstorbenen nicht weiter zu prüfen und reduzierte sich das Verfahren auf die Frage, ob den beiden Enkelinnen im Kleinkindalter ebenfalls ein mietvertragliches Eintrittsrecht zukomme.

Bei der Beurteilung, ob einem Minderjährigen, der aufgrund seines Unterhaltsanspruchs ohnehin ein Recht auf familienrechtliche Wohnversorgung hat, ebenso ein eigenständiges Eintrittsrecht an einer Wohnung nach § 14 MRG zukommt, ist darauf abzustellen, ob für dieses Kind im konkreten Einzelfall ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung besteht, das vom familienrechtlichen Wohnungsanspruch eben nicht abgedeckt wird.

Im Allgemeinen sind dabei das Alter des Kindes, die zu erwartenden Entwicklungen in nächster Zukunft und die Gründe, die für die gesonderte Wohnungsnahme oder für die Begründung von eigenen Mitmietrechten der Unterhaltsberechtigten sprechen, zu berücksichtigen.

Vom Erstgericht wurde im konkreten Fall festgestellt, dass die Suche des Vaters der beiden Enkelinnen nach einer Ersatzwohnung ohne Erfolg geblieben und folglich ein familienrechtlicher Wohnungsanspruch ihm gegenüber aktuell nicht durchsetzbar wäre.

Gerade darin sei aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ein besonderer Grund zu sehen, der für die Notwendigkeit eigener Mietrechte von Minderjährigen spreche.

Im Ergebnis haben also die beiden noch sehr jungen Enkeltöchter – wohl ohne es zu ahnen – das offenkundig überaus riskant geführte Aufkündigungsverfahren und damit die wertvolle Wohnversorgung der ganzen Familie gerettet.

 

 

 

 

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Foto und Fotobearbeitung: Sabrina Grünwald, © Copyright 2018