„Körperspende“
Vereinzelt besteht der Wunsch, den eigenen Körper nach dem Tod an wissenschaftliche Einrichtungen zu Zwecken der Forschung und Lehre zu spenden.
Das ist zu Lebzeiten durch eine entsprechend gestaltete Bestattungsverfügung ohne weiteres möglich. Häufig finden sich derartige Vorgaben allerdings in Vereinbarungen mit universitären Einrichtungen, gekoppelt mit letztwilligen Anordnungen.
Von medizinischen Universitäten und Forschungsinstituten wurden dafür eigene Modalitäten und Formulare entwickelt, die in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht durchaus hinterfragenswert erscheinen. Jedenfalls aber haben letztwillige Verfügungen den faktischen Nachteil, dass Testamente und Kodizille erst im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens inhaltlich behandelt werden, die entsprechenden Anweisungen den Hinterbliebenen also üblicherweise erst Wochen nach der längst erfolgten Bestattung oder Kremation des Verstorbenen zu Kenntnis gelangen.
Besonders schwierig gestalten sich derartige Konstellationen vor allem dann, wenn sich Angehörige zwar an derartige Wünsche des Verstorbenen zu erinnern vermeinen, dieser aber vor seinem Ableben oder vor Eintritt seines geistigen Siechtums überhaupt keine entsprechende Vorsorge mehr getroffen hat.
Ein derartiger Fall lag der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13.12.2012, 1 Ob 222/12x, EF-Z 2013/90, 128, zugrunde:
„Am 17. 1. 2012 gab der Sohn des Betroffenen bekannt, dass sich sein Vater nach dem Tod eine >Körperspende< wünsche und dies auch in Anwesenheit der weiteren Geschwister gesagt habe. In Reaktion darauf teilte der Sachwalter mit Schreiben vom 7. 2. 2012 mit, dass der Betroffene die vermeintlich gewünschte >Körperspende< trotz Überprüfung nicht durch Zeichen, geschweige denn verbal ausdrücken habe können. Nach Auskunft der Stationsärztin solle der Betroffene in einem etwas klareren Bewusstseinszustand diesen Wunsch eher verneint haben. Das Pflegepersonal sei von einem solchen Wunsch des Betroffenen nicht in Kenntnis. Weiters legte der Sachwalter das an ihn gerichtete Schreiben der Stationsärztin vom 3. 2. 2012 vor, wonach der Betroffene ihr gegenüber noch nie auch nicht zu der Zeit, zu der er dazu noch in der Lage gewesen sei den Wunsch einer >Körperorganspende< geäußert habe. Auch das Pflegepersonal höre dieses Anliegen zum ersten Mal. Mit Eingabe vom 4. 6. 2012 beantragte der Betroffene, vertreten durch den Sachwalter, das >Vermächtnis zur Körperspende< vom 11. 5. 2012 pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Der Sachwalter führte dazu aus, die Kinder des Betroffenen hätten ihm wiederholt glaubhaft versichert, der Betroffene habe eine >Körperspende< beabsichtigt, weshalb er namens des Betroffenen die >Vermächtnisurkunde< mitunterfertigt habe. Im vom Sachwalter (ebenso wie von drei Kindern des Betroffenen) unterfertigten >Vermächtnis zur Körperspende< ist festgehalten, dass der Betroffene seinen Körper nach seinem Ableben der Medizinischen Universität Wien zur ärztlichen Weiterbildung sowie für die medizinische Wissenschaft vermacht und sein Einverständnis erklärt, dass sein Körper nach Abschluss der Untersuchungen eingeäschert wird. Außerdem bestätigt der Betroffene sein Einverständnis, den Kostenbeitrag von 450 EUR für die aus seiner >Körperspende< entstehenden Kosten auf das Konto der Medizinischen Universität einzuzahlen. Das >Vermächtnis< so der Text im Formular wird erst dann gültig, wenn der Kostenbeitrag entrichtet ist.“
Der Antrag wurde in allen drei Instanzen abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof erachtete den Revisionsrekurs zwar für zulässig, aber nicht berechtigt und führte dazu unter anderem Folgendes aus:
„Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, dass für höchstpersönliche Rechte allgemein der Grundsatz gilt, dass sie mit einer gesetzlichen Vertretung unvereinbar sind. Für ihre Ausübung ist die natürliche Einsichts und Urteilsfähigkeit erforderlich. Fehlt diese Einsicht, so kann ein höchstpersönliches Recht weder durch den gesetzlichen Vertreter oder Sachwalter noch durch das Pflegschafts /Sachwalterschaftsgericht ersetzt werden (5 Ob 94/05t mwN). Höchstpersönliche Rechte können niemals Angelegenheiten sein, deren Besorgung allein einem Sachwalter übertragen werden kann ( … ). Für die >vertretungsfeindlichen< höchstpersönlichen Rechte kommen dem Sachwalter auch dann keine Aufgaben oder Befugnisse zu, wenn der Wirkungskreis (etwa eines für alle Angelegenheiten bestellten Sachwalters) diese Angelegenheit (abstrakt betrachtet) erfasst (Weitzenböck aaO § 275 Rz 2).“ „Zur Frage der Verfügungsberechtigung über einen Leichnam hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass über das Schicksal des Leichnams im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften und der guten Sitten aufgrund eines über den Tod hinaus fortwirkenden Persönlichkeitsrechts die betroffene Person selbst entscheidet. Primär ist der Wille des Verstorbenen zu respektieren, soweit dies mit den bestehenden öffentlich rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Der Wille braucht hiebei nicht in einer bestimmten Form kundgetan worden zu sein, sondern kann unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 914 ABGB auch aus den Umständen gefolgert oder hypothetisch ermittelt werden (1 Ob 257/72 = SZ 45/133; 7 Ob 225/99k; 7 Ob 62/00v, jeweils mwN). Nur soweit ein erkennbarer Wille des Verstorbenen nicht vorliegt oder aus öffentlich rechtlichen Gründen undurchführbar ist, haben die nächsten Angehörigen des Verstorbenen ohne Rücksicht auf ihre Erbenstellung das Recht, über den Leichnam ebenfalls im Rahmen der öffentlich rechtlichen Vorschriften (und der guten Sitten) zu bestimmen ( … ).“ „In der Lehre ( … ) wird darauf verwiesen, dass Leichen oder Leichenteile vor allem im Interesse der medizinischen Forschung und Lehre beschränkt dem Rechtsverkehr unterliegen. Allerdings werden Rechtsgeschäfte über Leichen und Leichenteile immer vom Standpunkt der Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) her besonders zu prüfen sein. Gemäß § 62a Abs 4 Krankenanstalten und Kuranstaltengesetz dürfen Organe oder Organteile Verstorbener nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn gerichtet sind. Insbesondere die letztwillige Verfügung über den eigenen Leichnam oder die Veräußerung des Leichnams durch den Verstorbenen selbst zu seinen Lebzeiten an ein anatomisches Institut wird in der Lehre als zulässig und wirksam angesehen, weil damit ein Persönlichkeitsrecht verwertet wird. Der hiermit verbundene Zweck der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Lehre nehme dem Geschäft die Sittenwidrigkeit ( … ). Gemeinsam ist diesen zulässigen und wirksamen Verfügungen über den Leichnam, dass sie der Verstorbene selbst vornimmt und sie Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind (7 Ob 225/99k; 7 Ob 62/00v). Soweit dieses (zulässigerweise) reicht, erstreckt sich auch sein Verfügungsrecht ( … ).“ „Die fehlende Übertragbarkeit ist ein charakteristisches Merkmal der Persönlichkeitsrechte eines Menschen, die dem unmittelbaren Schutz seiner Person dienen (beispielsweise das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit; das Recht auf Freiheit; das Namensrecht; das Recht auf Ehre; das Urheberpersönlichkeitsrecht; das aus § 16 ABGB abgeleitete Recht auf Privatsphäre uva). All diese Rechte stehen nur der berechtigten Person zu. Sie können ausschließlich von der berechtigten Person, aber nicht von einem Vertreter ausgeübt werden, soweit sich dies schon aus der Natur des Rechts ergibt ( … ), dass weder die Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen (§ 17 EheG), noch die des Einvernehmens über die Scheidung nach § 55a EheG (1 Ob 518/96 = SZ 69/75; RIS Justiz RS0103635) noch die Erklärung des letzten Willens (§§ 552 iVm 564 ABGB; Apathy aaO § 569 Rz 1) der Vertretung zugänglich sind und daher auch nicht durch einen Sachwalter wahrgenommen werden können ( … ). Die Rechtsähnlichkeit einer Verfügung über die eigene Leiche (ungeachtet deren rechtlicher Qualifikation) mit der über das eigene Vermögen zu Lebzeiten liegt auf der Hand. Beim >Vermächtnis zur Körperspende<, mit dem der Körper eines Menschen nach dessen Ableben einer Medizinischen Universität zur ärztlichen Weiterbildung sowie für die medizinische Wissenschaft >vermacht< wird, handelt es sich um die Ausübung eines den dargestellten in seiner Bedeutung für dessen Träger vergleichbaren höchstpersönlichen Rechts. Wie dargelegt ist für die Verfügung über den eigenen Leichnam zu wissenschaftlichen und zu Lehrzwecken vor dem Tod der betreffenden Person allein deren rechtsgeschäftlicher Wille maßgebend, bei dessen Erklärung eine Vertretung nicht in Betracht kommt. Demzufolge kann auch nicht ein Sachwalter für den Betroffenen Verfügungen über dessen Leichnam treffen. Nach dessen Tod ist nach den aufgezeigten Grundsätzen ebenfalls in erster Linie der eigene Wille des Betroffenen (auch aus der Zeit vor Begründung der Sachwalterschaft) zu respektieren.“