Facebook-Account verstorbener Kinder für Eltern nicht einsehbar!

Der „digitale Nachlass“ rückt in den Fokus der medialen Berichterstattung.

Während in den Blogs vom 24.01.2014 „Der Online-Nachlass des Justin Ellsworth“ und vom 28.03.2014 „Was passiert mit Domains nach dem Tod des Inhabers?“ noch über allseits mangelndes Problembewusstsein lamentiert wurde, liegen mittlerweile eine Reihe einschlägiger Fachartikel und Judikate vor, die eindrucksvoll zeigen, dass die Thematik längst auch in der erbrechtlichen Praxis angekommen ist.

Zu welch verstörenden Ergebnissen es dabei jedoch mitunter immer noch kommen kann, lässt sich aus den vielfältigen Reaktionen auf eine kürzlich ergangene Berufungsentscheidung des Kammergerichts Berlin vom 31.05.2017, 21 U 9/16, ZErb 7/2017, 225, ableiten.

Anders als noch das Landgericht Berlin am 17.12.2015, 20 O 172/15, ZErb 4/2016, 109, (siehe dazu den Blog vom 22.04.2016 „Mutter bekämpft erfolgreich >Gedenkstatus< im Account der Tochter“) wurde vom Rechtsmittelsenat ein Zugriffsrecht der klagenden Mutter auf den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter verneint.

Das Mädchen war am 03.12.2012 im Alter von 15 Jahren unter tragischen Umständen verunglückt. Es wurde in Berlin von einer U-Bahn erfasst und tödlich verletzt. Ihre Eltern erhofften sich durch Einsicht in den Netzwerk-Account der Tochter Hinweise zur Klärung der im Raum stehenden Frage, ob es sich allenfalls um einen Suizid gehandelt haben könnte. Eine Antwort darauf war abgesehen von der emotionalen Bewältigung dieses Schicksalsschlages auch von rechtlicher Bedeutung, weil sie der seinerzeit durch den Vorfall traumatisierte U-Bahn-Fahrer mit Schadenersatzforderungen konfrontiert hatte.

Das betroffene Benutzerkonto wurde allerdings bereits am 09.12.2012 durch einen anderen Nutzer, dessen Identität der Netzwerkanbieter aus datenschutzrechtlichen Erwägungen nicht preisgeben wollte, in den so genannten „Gedenkzustand“ versetzt, der bewirkte, dass fortan selbst für die Eltern und Erben der Verstorbenen kein Zugang mehr möglich war.

Das Landgericht Berlin gab der auf Gewährung des Zugangs zum Account der verstorbenen Tochter gerichteten Klage der Mutter in erster Instanz noch statt. Es bestehe ein Anspruch der Erben auf Überlassung der Zugangsdaten zu den Profilen Verstorbener auf sozialen Netzwerken, zumal sie als Gesamtrechtsnachfolger in den Nutzungsvertrag eintreten. Dem stünden weder Erwägungen zur Gefährdung postmortaler Persönlichkeitsrechte noch datenschutzrechtliche Bedenken entgegen, jedenfalls so lange die Erben, wie im Gegenstand, zugleich Sorgeberechtigte einer minderjährigen Erblasserin sind.

Diese Argumentation wurde jedoch nun durch das Kammergericht Berlin unter Hinweis auf das Fernmeldegeheimnis verworfen.

Ein Zugriff der Eltern setze demnach die Zustimmung sämtlicher Kommunikationspartner der verstorbenen Account-Inhaberin voraus, und zwar auch dann, wenn diese – wie verfahrensgegenständlich – noch minderjährig gewesen sei.

In der Praxis ist diese Hürde kaum jemals zu überwinden und in Folge dessen ein Zugriff oder eine Statusänderung für Erben de facto unmöglich.

Deshalb bleibt es bei der dringenden Empfehlung, rechtzeitig über den „digitalen Nachlass“ zu verfügen.

Nur so lassen sich Unannehmlichkeiten vermeiden und teuer erworbene oder geschaffene Rechte (Downloads, Urheberrechte etc) ebenso, wie intime Geheimnisse dauerhaft schützen.

Näheres zu diesem Thema finden Sie auch in den Beiträgen vom 24.01.2014, 28.03.2014, 22.04.2016, 28.09.2018 und 08.11.2019.

Fotonachweis: Foto und Fotobearbeitung: Sabrina Grünwald, © Copyright 2017