Einräumung einer Bankvollmacht als Schenkung?

Zu den „Klassikern“ bei Erbrechtsauseinandersetzungen zählen alle möglichen Formen von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Bankkonten, Safes und Wertpapierdepots Verstorbener, auf die zu deren Lebzeiten auch andere Personen Zugriff hatten.

Während Erben und Pflichtteilsberechtigte naturgemäß auf eine weitestgehende Nachlassszugehörigkeit pochen, sehen dies die betroffenen Mitinhaber und Zeichnungsberechtigten meist diametral anders und verwehren sich gegen den Vorhalt, der Zugriff auf Ersparnisse bei der Bank sei ihnen von der verstorbenen Person lediglich zu Verwaltungs- oder Verwahrungszwecken im Sinne einer Vollmacht oder Treuhandschaft ermöglicht worden.

Die Handhabung der besonders praxisrelevanten „Oder-Konten“ in Verlassenschaftsverfahren wurde bereits im Blog „Wem gehört das gemeinsame Bankkonto nach dem Tod eines Ehepartners?“ vom 30.11.2018 dargestellt.

Nun liegt eine richtungsweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (verstärkter Senat!) vom 03.05.2018, 2 Ob 122/17f, EF-Z 2018/112, 233, vor, aus der abzuleiten ist, dass bereits die Einräumung einer Zeichnungsberechtigung auf einem Bankkonto oder Wertpapierdepot eine „wirkliche Übergabe“ darstellen kann, wie sie für Schenkungen ohne schriftliche Vereinbarung in Notariatsaktsform gesetzlich vorausgesetzt wird.

Konkret formulierte der verstärkte Senat des Obersten Gerichtshofs folgenden Rechtssatz:

„Wertpapiere auf einem Depot oder Guthaben auf einem Konto werden schon dadurch im Sinne § 943 ABGB und § 1 lit d NotAktsG wirklich übergeben, dass der Geschenkgeber dem Geschenknehmer – etwa durch Begründung einer Mitinhaberschaft – die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einräumt, darüber ohne sein weiteres Mitwirken zu verfügen. Das Einräumen einer ausschließlichen Verfügungsbefugnis ist nicht erforderlich.“

Zur Vermeidung vom Missverständnissen ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei jedoch nur um die Einhaltung von Formvorschriften zum Schutz der Geschenkgeber vor Übereilung handelt.

Der Oberste Gerichtshof betont deshalb ausdrücklich als „Voraussetzung für die Wirksamkeit der Schenkung …, dass tatsächlich ein Schenkungswille vorlag bzw nach den Grundsätzen der Vertrauenstheorie anzunehmen ist. Dieser Wille muss darauf gerichtet sein, dass sich der Beschenkte nicht nur – aufgrund des als wirkliche Übergabe qualifizierten Akts – faktisch in den Besitz des Schenkungsobjekts setzen kann, sondern dass er das aufgrund des Titelgeschäfts auch darf.

Demnach bleibt zur Rechtswirksamkeit einer Schenkung natürlich stets ein entsprechender Schenkungswille vorausgesetzt, der sich allerdings ohne schriftliche Vereinbarungen dazu nach dem Tod des Geschenkgebers erfahrungsgemäß relativ schwer nachweisen lässt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist nämlich eine Schenkung grundsätzlich nicht zu vermuten und von demjenigen zu beweisen, der ihr Vorliegen behauptet (OGH 23.04.2015, 1 Ob 61/15z, ecolex 2015/399, 946).

Dankenswerterweise hat der Oberste Gerichtshof in der vorzitierte Entscheidung vom 03.05.2018 zur Beweiswürdigungsthematik ebenfalls wertvolle Leitlinien entwickelt.

Demnach können „für den Nachweis einer Schenkung … zwar bestimmte Sachverhaltselemente relevant sein, die in gleicher Weise für die Frage der wirklichen Übergabe maßgebend sind (etwa das Aus-der-Hand-Geben einer Sache als Indiz für das Vorliegen und die Ernstlichkeit des Schenkungswillens).

Dennoch sind diese Fragen grundsätzlich getrennt zu beurteilen: Die Übergabe einer Sache kann auf verschiedenen Gründen beruhen und lässt daher für sich allein noch nicht auf das Vorliegen einer Schenkung schließen.

Entscheidend sind daher in jedem Fall auch die Feststellungen zum Vorliegen eines Schenkungswillens. … aus diesem Grund ist aber die >wirkliche Übergabe< von vornherein nicht geeignet, das Vorliegen einer Schenkung zu beweisen.“

Alles in allem ist vermögenden Personen jedenfalls dringend nahezulegen, in Bankangelegenheiten nicht nur zum Schutz ihrer Erben, sondern auch in eigenem Interesse stets besonders wachsam und vorsichtig zu sein.

Vor den Folgen allzu leichtfertig eingeräumter Bankbefugnisse an Vertraute oder Angehörige wurde in diesem Sinne bereits im Blog „Fatale Folgen einer Bankvollmacht an den Sohn“ vom 16.06.2015 gewarnt.

Auch der Oberste Gerichtshof betont die Gefährlichkeit derartiger Dispositionen mit nachstehenden Hinweisen:

„Ermöglicht der Geschenkgeber dem Geschenknehmer durch einen vom Schenkungsversprechen gesonderten Akt das alleinige Verfügen über ein Konto oder Depot, so muss ihm bewusst sein, dass er sich dieser Werte durch die Schenkung begibt.

Dass er faktisch auch selbst noch darüber verfügen könnte (aber wegen der wirksamen Schenkung nicht dürfte), kann an der Erfüllung der Warnfunktion nichts ändern.

Eine derart zurückbehaltene Verfügungsmöglichkeit kann zwar ein Indiz dafür sein, dass in Wahrheit keine Schenkung gewollt war. Diese Frage ist aber ohnehin vorrangig zu prüfen:

Liegt keine Einigung auf eine Schenkung vor, kommt es auf die wirkliche Übergabe der angeblich geschenkten Sache nicht an.

Wird hingegen der Schenkungswille bejaht, so ist der Übereilungsschutz schon bei Einräumen einer alleinigen (wenn auch nicht ausschließlichen) Verfügungsmöglichkeit gewahrt.

Bei der Schenkung von Kontoguthaben oder Depots (genauer: von auf einem Depot liegenden Wertpapieren …) genügt es daher, wenn der Geschenkgeber dem Geschenknehmer durch einen vom Schenkungsversprechen verschiedenen Akt die Möglichkeit einräumt, sich ohne sein weiteres Zutun in den Alleinbesitz des geschenkten Vermögens zu setzen.

Dafür könnte unter Umständen schon das Erteilen einer Zeichnungsberechtigung oder einer Vollmacht ausreichen.

Maßgebend ist insofern die Rechtsbeziehung zwischen dem Geschenkgeber und der Bank: Ermöglicht das Verhalten des Geschenkgebers dem Geschenknehmer, auf das Konto oder Depot zu greifen, liegt zufolge Verwirklichung des Übereilungsschutzes eine wirkliche Übergabe im Sinne von § 943 ABGB, § 1 lit d NotAktsG vor.“

 

 

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