DNA-Test-Zwang wegen amouröser Abenteuer des verstorbenen Vaters?

Die Fadesse streng monogamer Beziehungen kann man mögen oder auch nicht.

Aus rein erbrechtlicher Perspektive setzen sie jedenfalls die Langeweile fort, während der eine oder andere Seitensprung spannende Fragen eröffnet, die nicht selten erst nach dem Tod der wirklichen oder vermeintlichen Väter gestellt werden.

Die Freude über plötzlich auftauchende Geschwister und „Stiefkinder“ hält sich beim Erbgang meistens in engen Grenzen. Wer teilt schon gerne mit bisher Unbekannten und muss speziell als Witwe mitten in der Trauerarbeit auch noch „diese Sache“ emotional bewältigen.

Nicht minder herausfordernd ist die Angelegenheit für betroffene Abkömmlinge selbst, von denen überdies verlangt wird, sich zunächst einmal als solche zu legitimieren.

Hierzu hat der Gesetzgeber immerhin einen pragmatischen, aber nicht unumstrittenen Weg eröffnet, indem § 85 AußStrG neben umfassenden Mitwirkungspflichten potenzieller Familienangehöriger bei Bedarf auch entsprechende Zwangsmaßnahmen vorsieht.

Demnach haben die Parteien und alle Personen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen mitzuwirken, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist.

Diese Pflicht zur Mitwirkung entfällt allerdings, wenn sie mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Im Fall einer rechtmäßigen Weigerung hat das Gericht alternativ dazu eine nicht mit der angeführten Gefahr verbundene Methode der Abstammungsuntersuchung anzuordnen.

Zur Gewinnung von Gewebeproben mit Methoden, bei denen die körperliche Integrität nicht verletzt wird, hat das Gericht hingegen erforderlichenfalls die zwangsweise Vorführung und die Anwendung angemessenen unmittelbaren Zwangs anzuordnen. Dabei sind die Organe der öffentlichen Sicherheit zur Hilfeleistung verpflichtet. Die Kosten der Vorführung und des Zwanges sind von der mitwirkungspflichtigen Person zu ersetzen.

Soweit die erforderlichen Beweise auf diese Art nicht erbracht werden können und besondere gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, kann das Gericht von jedermann die Herausgabe notwendiger Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben der vorgenannten Personen verlangen, auch wenn diese bereits verstorben sind.

In der Rechtsprechung wurden dazu inzwischen einige Grundsätze entwickelt.

Beispielsweise soll die Anordnung einer zwangsweisen Blutabnahme verfassungsrechtlich nicht bedenklich sein, allerdings nur, wenn eine „offenbare Notwendigkeit zur Klärung des Sachverhalts“ vorliegt (RIS-Justiz RS0058782).

„Erforderlich“ im Sinne des § 85 Abs 1 AußStrG ist die Mitwirkung im Abstammungsverfahren immer dann, wenn sie im konkreten Fall geboten ist (OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193).

Die Feststellung der Abstammung ist ein elementares Grundrecht, das nicht an der ungerechtfertigten Weigerung beteiligter Personen scheitern darf (OGH 28.10.2013, 8 Ob 54/13v, iFamZ 2014/12, 20 = Zak 2014/11, 14 = EF‑Z 2014/103, 166 (Beck) = EFSlg 140.453; OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193).

Personen, die versuchen ihre Abstammung festzustellen, haben ein durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschütztes Interesse, jene Informationen zu erhalten, die unverzichtbar sind, um die Wahrheit bezüglich eines wichtigen Teils ihrer persönlichen Identität aufzudecken (RIS-Justiz RS0126000). Nach Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Familienlebens. Zur Entwicklung der Person gehört auch das Recht, notwendige Informationen über wesentliche Aspekte der eigenen Identität und der ihrer Eltern sowie Auskünfte zu erhalten, die notwendig sind, die eigene Kindheit und frühe Entwicklung zu verstehen, wozu auch die Möglichkeit der Gewinnung von Informationen über die Identität der Eltern gehört (RIS-Justiz RS0127252; OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193).

Umgekehrt kann der Grundrechtsschutz Dritter die Möglichkeit ausschließen, jemanden zu einer medizinischen Analyse wie einem DNA-Test zu zwingen, (RIS-Justiz RS0126000), sodass im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK eine umfassende Interessenabwägung zwischen allen Beteiligten zu erfolgen hat (OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193.

Bei geklärter Notwendigkeit zur Sachverhaltsklärung, ist es dem Gericht allerdings nicht nur erlaubt, sondern sogar aufgetragen, DNA-Gutachten einzuholen (OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193).

Welche Art der Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung vom Putativvater erforderlich und geeignet(er) sind, etwa DNA-Tests durch Gewebeproben von den potenziellen Geschwistern oder im Wege einer Exhumierung des Putativvaters ist vom Gericht über ein medizinisch/erbbiologisches Sachverständigengutachten zu klären (OGH 24.03.2017, 9 Ob 3/17g, Zak 2017/220, 131 = EF‑Z 2017/77, 163 = EvBl 2017/131, 913 (Pierer) = RdM 2017/179, 288 (Uranüs) = iFamZ 2017/168, 321 (Beck) = RZ 2017/17, 193).

Soweit die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Vernünftiger und für alle Beteiligten mit Gewissheit weniger belastend wird in diesen Fällen zweifellos die einvernehmliche Bestellung eines Schiedsgutachters sein und basierend auf dessen Expertise eine gemeinsame Suche nach konfliktvermeidenden Lösungen innerhalb des (neu gefundenen) Familienkreises.

Manchmal will es dabei sogar gelingen, einen später besonders wertvollen Menschen kennen und schließlich auch schätzen zu lernen.

Fotonachweis:
Foto und Fotobearbeitung: Johann Schilchegger, © Copyright 2025