Der Zusammenhang von Steuerreform, Altersarmut und Inkontinenz

Was auf den ersten Blick nach einem humorvollen Beitrag zur allgemeinen Steuerreformdebatte klingt, hat in Wahrheit einen bitterernsten Hintergrund.

Jede Neuerung im Steuersystem verunsichert speziell jene, die altersbedingt keine Chance auf einen Neubeginn mehr haben, also darauf angewiesen sind, bei wesentlichen Entscheidungen möglichst keine Fehler zu machen.

Der erfahrene Österreicher weiß, dass mit dem Wort Steuerreform in Wahrheit Steuererhöhung gemeint ist. Das betrifft vor allem immer wieder den zuletzt sehr in Mode gekommenen Kahlschlag von Familienbegünstigungen bei der Übergabe von Unternehmen oder Immobilien an Kinder und Enkelkinder.

Gepaart mit dem Pflegekostenregress und den Rückgriffsmöglichkeiten bei Schenkungen zu Lebzeiten, wie sie in einzelnen Sozialhilfegesetzen der Länder vorgesehen sind, ergibt sich ein latenter „Übergabedruck“, dem man sich insbesondere bei bevorstehenden Gesetzesänderungen ab einem gewissen Alter kaum mehr zu entziehen vermag.

Dabei gilt es gerade in Zeiten zunehmend klammer öffentlicher Kassen, seine Möglichkeiten nicht durch voreilige Schenkungen zu überspannen. Die Klippe zur Altersarmut ist oft näher als gedacht!

Vor allem zeigen sich die Probleme eindimensional abgabenorientierter Betrachtungsweisen naturgemäß erst Jahre später. Selbst kleine gesundheitliche Defizite, wie Zahnausfall, Sehschwäche oder eben Inkontinenz, können dann durchaus zu finanziellen Engpässen führen, die man früher ohne weiteres überwunden hätte, von kostspieligen Operationen, Therapien oder einer barrierefreien Gestaltung der eigenen Wohnung ganz zu schweigen. Plötzlich ist man abhängig von Angehörigen, Freunden, Versicherungen oder Beamten, die über Notwendigkeit und Leistbarkeit bisheriger Selbstverständlichkeiten zu entscheiden haben.

Die Rückübertragung von verschenktem Vermögen ist dann meistens faktisch und rechtlich nicht mehr möglich. Abgesehen davon würde allein die Diskussion über derartige Erfordernisse unvermutet das gesamte emotionale und wirtschaftliche Grundgerüst einer Familie in Frage stellen.

Welch unangenehme Folgen aber schon die Kombination von Altersarmut und Inkontinenz haben kann, erschließt sich sehr treffend aus dem erschütternden Artikel von Peter Müller, Susanne Petersohn und Cornelia Schmergal im DER SPIEGEL 11/2015, 47 mit dem Titel „Sparwahn mit System“. Darin wird eindrucksvoll gezeigt, dass Krankenkassen in Deutschland bei Pflege- und Heilbehelfen zunehmend auf qualitativ minderwertige Billigprodukte umsteigen, etwa bei Windeln für inkontinenzgeplagte Menschen.

Anhand dieses Beispiels wird klar, dass es sich bei folgenschweren Entscheidungen, wie der Vermögensübergabe an die nächste Generation, im wahrsten Sinne auszahlt, unbedingt noch einmal innezuhalten und mit Bedacht zu überlegen, ob man sich diesen Schritt langfristig überhaupt leisten kann!