Demenz und Testierunfähigkeit
Die Diagnose einer beginnenden demenziellen Erkrankung führt keineswegs unmittelbar zur Testierunfähigkeit.
Vielmehr kommt es auf den Grad der tatsächlichen Beeinträchtigung der betroffenen Person an.
Beispielsweise ist aus einem Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 02.08.2022, RV 56 VI 1518/21, ZErb 4/2023, 153, abzuleiten, dass Testierfähigkeit nicht allein anhand der ärztlichen Bezeichnung des Krankheitsbildes, sondern stets in Bezug auf das konkrete Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung zu beurteilen ist.
Dabei könne aus einer eigentümlichen Schreibweise des Testaments, die nicht der üblichen Ausdrucksweise des Erblassers entspricht, durchaus ein Hinweis auf seine Testierunfähigkeit abgeleitet werden.
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall berief sich der nur gebrochen Deutsch sprechende, polnisch stämmige Lebensgefährte R. auf ein in seinem Beisein errichtetes handschriftliches Testament vom 02.09.2017 der im Mai 2021 verstorbenen Erblasserin mit folgendem Inhalt (sic!):
„2.9.2017
R.
geb. (…)
mein Testament Ich erklele freiwillig das ist im Falle meinen Todes. Ich underschreibe Dir
S. R. geboren. x Wohnung in Bolen. X
Str. x Mein allen Erbe sein soll Das ist meine Wunsch.
2.9.2017 (eigenhändige Unterschrift)“
Bereits Mitte 2017 war bei der Verstorbenen ärztlich eine Demenzerkrankung diagnostiziert, im November 2017 eine schwere kognitive Beeinträchtigung festgestellt und ab Frühjahr 2018 eine umfassende rechtliche Betreuung (Erwachsenenvertretung) angeordnet worden.
Das Amtsgericht Bamberg hat schließlich in Folge all dessen und im Wesentlichen basierend auf dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen eine Unwirksamkeit dieses Testaments wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin zur Zeit der Errichtung, somit auf Eintritt der gesetzlichen Erbfolge zu Gunsten ihrer Neffen und Nichten erkannt. Text und Inhalt des besagten Testaments seien ihr von R. in Gänze „vorgegeben“ worden und das Testat wäre deshalb eben gerade nicht als Ausdruck des freien Willens der Verstorbenen anzusehen.
Zur Vermeidung derart unangenehmer Drucksituationen, erzeugt von „andrängenden Erbanwärtern“, sollten erste Anzeichen für voraussichtlich bleibende kognitive Beeinträchtigungen stets zum Anlass genommen werden, sich über die eigene Versorgung bei fortschreitender Erkrankung und über die spätere Vermögensnachfolge Gedanken zu machen.
Die Anfertigung eines handschriftlichen Testaments ist unter diesen Umständen meistens problematisch und die Beiziehung rechtlicher Begleitung zweifellos ratsam.
Foto und Fotobearbeitung: Gutmann Cathrin, © Copyright 2023