Das verschollene Testament – dreifaches Pech für den Erben!

Immer wieder kommt es vor, dass sich letztwillige Verfügungen „verflüchtigen“, jedenfalls so lange sie nicht von einem Rechtsanwalt, Notar oder Gericht registriert und dort hinterlegt, sondern in irgendeiner vermeintlich besonders geeigneten Dokumentenmappe oder Schublade verwahrt werden.

Manchmal tauchen diese Schriftstücke Jahre nach dem längst abgeschlossenen Verlassenschaftsverfahren doch noch auf. Die Freude bei den plötzlich Begünstigten ist dann meistens ebenso groß, wie die Besorgnis der bisher eingeantworteten Erben, die sich nach Kräften zur Wehr setzen. Das trifft durchaus auch auf die Republik Österreich zu, der die Verlassenschaft letztendlich zufällt, wenn keine Erben existieren (so genanntes „Heimfallsrecht des Staates“ bei „erbloser Verlassenschaft“, in der Terminologie des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 künftig „Aneignung durch den Bund“).

Ein besonders skurriler Fall, der vom Obersten Gerichtshof mit Erkenntnis vom 18.06.2015, 1 Ob 41/15h, Zak 2015/569, 317, entschieden wurde, zeigt, dass gerade die fiskalische Beharrlichkeit des Staates nahezu keine Grenzen kennt, selbst wenn die Fehlzuweisung des Nachlasses klar auf der Hand liegt und darüber hinaus auf einem Gerichtsfehler, also einem Versäumnis staatlicher Organe beruht.

Der am 11.11.1997 verstorbene Erblasser hatte am 23.10.1983 ein Testament errichtet und darin den klagenden Verein zum Alleinerben eingesetzt. Aus nicht geklärten Umständen (möglicherweise wegen einer fehlerhaften Schreibweise des Namens) wurde dieses Testament im Verlassenschaftsverfahren nicht aufgefunden. Es langte erst Ende 2010 über ein anderes Bezirksgericht beim zuständigen Verlassenschaftsgericht ein. Da zunächst keine gesetzlichen Erben ausfindig gemacht werden konnten, war der Nachlass mit Beschluss vom 28.06.2001 bereits für heimfällig erklärt und ein das Nachlassvermögen bildender Geldbetrag von EUR 367.694,15 an die beklagte Republik Österreich überwiesen worden. Diese hatte den Betrag am 17.11.2004 an fünf gesetzliche Erben weitergeleitet, die in der Zwischenzeit von Erbenermittlern ausgeforscht worden waren. Nachdem der Kläger am 04.01.2011 vom Verlassenschaftsgericht durch Übersendung einer Kopie erstmalig von der Existenz der letztwilligen Verfügung informiert worden war, stellte er vorerst   rechtlich aussichtslose   Anträge im bereits abgeschlossenen Verlassenschaftsverfahren. Danach unternahm er Versuche, an jene Personen heranzutreten, an die das Nachlassvermögen letztlich ausgefolgt worden war. Am 13.08.2012 richtete er Anspruchsschreiben an die fünf gesetzlichen Erben, und zwar unter jenen (jeweils ausländischen) Adressen, die aus dem Verlassenschaftsverfahren bekannt waren. Aktuelle Anschriften der beiden tschechischen Verwandten des Erblassers konnten trotz Einschaltung eines Anwalts vor Ort nicht ermittelt werden. Von einer weiteren Verfolgung von Ansprüchen gegenüber den beiden zuletzt in den USA ansässigen Verwandten nahm der Kläger vor allem deshalb Abstand, weil es mit diesem Staat kein bilaterales Vollstreckungsabkommen gibt. Auch mit dem zuletzt in Dänemark wohnhaft gewesenen Erben konnte ein Kontakt nicht aufgenommen werden. Am 02.01.2014 richtete der Kläger schließlich ein Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur und überreichte am 03.04.2014 die Amtshaftungsklage bei Gericht.

Der Umstand, dass die Republik für das versehentlich in Verstoß geratene Testament schadenersatzrechtlich einzustehen hat, war von vorneherein unstrittig. Sie wandte allerdings Verjährung ein und obsiegte mit diesem Argument bereits vor dem Berufungsgericht, dessen Entscheidung der Oberste Gerichtshof schließlich bestätigte.

Gemäß § 6 Abs 1 Satz 2 AHG verjähren Amtshaftungsansprüche unabhängig von der Kenntnis des Geschädigten nach Ablauf von zehn Jahren ab Schadenseintritt. Maßgeblich für den Beginn des Fristenlaufs ist dabei der Zeitpunkt, an dem der Nachlass nicht dem Kläger eingeantwortet, sondern für heimfällig erklärt und dem Bund ausgefolgt wurde, im Gegenstand Sommer 2001. Die zehnjährige (absolute) Verjährungsfrist endete somit im Sommer 2011 und war zur Zeit der Geltendmachung des Amtshaftungsanspruchs im Jahre 2014 bereits abgelaufen.

Besonders bitter dürfte für den Kläger aber nicht nur der ursprüngliche Gerichtsfehler und die rigorose Haltung der Republik Österreich gewesen sein, der im gesamten Verfahren offenbar nie die Rechtsmissbräuchlichkeit ihres Standpunktes vorgehalten wurde, sondern vor allem auch der Umstand, dass er bei Bekanntwerden des Missgeschicks im Jänner 2011 noch rund ein halbes Jahr Zeit gehabt hätte, seine Ansprüche innerhalb der Verjährungsfrist pünktlich geltend zu machen.

Dreifaches Pech also, wie es in dieser folgenschweren Kombination selbst in heiklen Erbrechtsfällen nur selten vorkommt.