Das „abgeluchste Grundstück“ berechtigt Erben zur Einsichtnahme in den Sachwalterschaftsakt des verstorbenen Vaters

Über die restriktive Haltung der Gerichte im Zusammenhang mit Anträgen auf Einsichtnahme in Sachwalterschaftsakten Verstorbener wurde bereits im Blog vom 18.05.2018 berichtet.

Allerdings gibt es begründete Ausnahmen, die der Oberste Gerichtshof in einer bemerkenswerten Entscheidung vom 21.12.2017, 4 Ob 238/17d, Zak 2018/83, 55, treffend zusammengefasst hat.

Der Ausgangsfall betraf Erben, deren Vater wenige Monate vor seinem Tod ein Grundstück deutlich unter Wert „abgeluchst“ worden sein soll und die im Rahmen des Rückforderungsprozesses Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt beantragt hatten, um den Gesundheitszustand des Verstorbenen und den Namen des gerichtlich beauftragten medizinischen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen bewilligte der Oberste Gerichtshof die Anträge im Wesentlichen mit folgender Argumentation.

Dritte haben betreffend höchstpersönlicher Angelegenheiten, wie etwa im Bereich von Gesundheitsdaten grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht, es sei denn, dies würde ausschließlich den Interessen der/des Pflegebefohlenen selbst dienen oder von allen Verfahrensparteien läge eine entsprechende Zustimmungserklärung vor.

Hingegen sind eingeantwortete Erben in vermögensrechtlichen Belangen nicht „Dritte“, sondern Gesamtrechtsnachfolger der/des Verstorbenen. Folglich ist ihnen nach gesicherter Rechtsprechung in jene Teile des Sachwalterschaftsakts Einsicht zu gewähren, die sich auf Einkommens- und Vermögensangelegenheiten der betroffenen Person beziehen.

Dennoch ausgenommen bleiben höchstpersönliche Aktendetails, sodass etwa zur Aufklärung des Geisteszustands der verstorbenen Person im Zuge einer Testamentsanfechtung sogar eingeantwortete Erben insoferne keinen Zugriff auf einen allenfalls vorliegenden Pflegschaftsakt haben.

Eine Ausnahme wurde in der Judikatur bisher lediglich im Verfahren zur Entscheidung über das Erbrecht bei einander widersprechenden Erbantrittserklärungen anerkannt.

Der Zweck des Sachwalterschaftsverfahrens lasse es nämlich in derart gelagerten Fällen durchaus zu, auch einem Erbansprecher in bestimmt und einzeln oder zumindest nach Gattungsmerkmalen zu bezeichnende, beispielsweise den Gesundheitszustand des Erblassers betreffende, relevante Teile des Sachwalterschaftsakts Einsicht zu gewähren, soferne jeweils konkret dargelegt wird, weshalb die einzelnen Aktenteile geeignet sein sollen, die Erforschung des wahren letzten Willens des Erblassers substanziell zu verbessern.

Diese Grundsätze wurden nunmehr vom Obersten Gerichtshof auch auf den vorliegenden Anlassfall erweitert und den Antragstellern das Recht auf Akteneinsicht in den (gesamten) Sachwalterschaftsakt zuerkannt.

Die Gewährung der Akteneinsicht im Zusammenhang mit einem Erbrechtsstreit zur Erforschung des wahren letzten Willens des Erblassers solle die vom Erblasser erwünschte Zuordnung von Nachlassgegenständen nach seinem Tod gewährleisten.

Verschenkt oder „verschleudert“ eine geschäftsunfähige Person große Teile ihres Vermögens aber bereits zu Lebzeiten, könne dies zur Folge haben, dass ihr (potenzieller) Nachlass massiv reduziert wird, was ihren letzten Willen stark relativiere.

Wollten die Erben nun aufzeigen, dass die zu Lebzeiten des Betroffenen gesetzten Handlungen seinem wahren (nicht durch eine allfällige Erkrankung beeinflussten) Willen widersprechen, sei ihnen folglich auch die dazu erforderliche Akteneinsicht nicht zu verwehren.

Diese Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofs ist in jederlei Hinsicht zu begrüßen und diene all jenen „Investoren“ zur Warnung, deren „Geschäftsmodell“ auf der ungenierten Ausnutzung der reduzierten Wahrnehmungs- und Kritikfähigkeit ihrer (meist betagten und) nicht mehr wirklich geschäftsfähigen Vertragspartner beruht.

 

 

 

 

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