Darf im Verlassenschaftsverfahren „geschwindelt“ werden?
Kurze Antwort: „Natürlich nicht, aber es wird!“
Die Versuchung scheint offenbar allzu groß und die Gefahr ertappt zu werden eher klein.
Eine Untertreibung hier, ein „vergessener“ Vermögenswert dort, komplettiert durch eine geradezu epidemische Tendenz zur Schönfärbung historischer Begebenheiten begegnen dem Erbrechtspraktiker faktisch in nahezu jedem Verlassenschaftsverfahren.
So werden aus Verwahrungs- oder Verwaltungsaufträgen plötzlich großzügige Schenkungen der/des Verstorbenen und aus seltenen Sammlungen quasi „über Nacht“ nur noch wertloser „Plunder“.
Dabei wird allerdings vielfach vergessen, dass diese „Ungenauigkeiten“ stets einen Adressaten haben, der dadurch benachteiligt wird, nämlich neben (Mit-)Erben, Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern, vor allem auch die allgemeine Rechtspflege und der Fiskus.
Obgleich es aktuell in Österreich zwar keine Erbschaftssteuer gibt, werden trotzdem nicht nur die Erbteile und Pflichtteilsansprüche, sondern auch die Gerichtsgebühren und die tariflichen Kosten des Gerichtskommissärs nach dem Wert der Verlassenschaft bemessen.
Im Übrigen liegt es natürlich auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege, dass ein derart aufwändiges Verfahren, wie es in Österreich für Verlassenschaften vorgesehen ist, zu möglichst richtigen Ergebnissen führt und sich alle Beteiligten an die bestehenden „Spielregeln“ halten.
In § 9 Gerichtskommissärsgesetz ist deshalb vorgesehen, dass dem Gerichtskommissär bei der Wahrheitsermittlung und der Ausforschung von Tatsachen in Verlassenschaftssachen dieselben Auskunftsrechte und Einsichtsbefugnisse wie dem Verlassenschaftsgericht zustehen. Alle Personen, deren Aussagen oder Auskünfte Beweismittel sind, treffen dem Gerichtskommissär gegenüber die gleichen Rechte und Pflichten wie im Verhältnis zum Gericht.
Gemäß § 16 Außerstreitgesetz hat das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend zu berücksichtigen.
Dabei trifft die Verfahrensparteien die Pflicht, vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichtes maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen beziehungsweise anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichtes zu beantworten.
Wird dennoch „geschwindelt“, handelt es sich nach herrschender Auffassung zwar (mit gewissen Ausnahmen) meistens um keine falsche Beweisaussage im Sinne des § 288 des Strafgesetzbuchs (StGB).
Unter bestimmten Umständen kann allerdings „Prozessbetrug“ im Sinne des § 146ff StGB vorliegen.
Nach § 146 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt.
Da Verlassenschaftsverfahren häufig Urkunden, historische Daten und bedeutende Vermögenswerte zum Gegenstand haben, steht stets auch die qualifizierte Form, nämlich „schwerer Betrug“ nach § 147 StGB im Raum mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe für den Fall einer Täuschung unter Benützung einer falschen oder verfälschten Urkunde, eines falschen, verfälschten oder entfremdeten unbaren Zahlungsmittels, ausgespähter Daten eines unbaren Zahlungsmittels, falscher oder verfälschter Daten, eines anderen solchen Beweismittels oder eines unrichtigen Meßgerätes.
Wer durch die Tat einen € 300 000 übersteigenden Schaden herbeiführt, ist sogar mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht.
Alles in allem sollte man sich demnach gut überlegen, ob es sich tatsächlich „auszahlt“, am verbreiteten Volkssport „Verlassenschaftsschwindelei“ teilzunehmen.
Fotonachweis: Foto und Fotobearbeitung: Sarah Hettegger, © Copyright 2018