Wollte Opa wirklich ins Ausland übersiedeln?

Ein der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 23.10.2024, 7 Ob 79/24d, EF-Z 2025/36, 75 (Traar), zugrundeliegender Sachverhalt macht nachdenklich und mahnt zur Diskretion über den Inhalt letztwilliger Verfügungen.

Ein inzwischen 93‑Jähriger hatte seiner Lebensgefährtin im Oktober 2010 mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall beträchtliches Vermögen unter der Voraussetzung geschenkt, dass die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt seines Ablebens noch aufrecht ist.

Später erteilte er seiner Lebensgefährtin und seinen beiden Kindern für den Fall des Verlusts seiner Geschäftsfähigkeit eine Vorsorgevollmacht.

Der Betroffene leidet mittlerweile an Parkinson und Demenz bei attestierter Pflegegeld-Stufe 6. Er ist nicht mehr einsichts‑ und urteilsfähig und kann seiner Verlegung an einen anderen Ort nicht mehr zustimmen.

Am 05.09.2023 verbrachten ihn sein Sohn und seine Tochter aus seiner gewohnten Umgebung und weg von seiner Lebensgefährtin, mit der er seit ca 18 Jahren gemeinsam in einer Wohnung lebte, zunächst zur Tochter in die Schweiz und von dort zu deren Familie nach Südfrankreich. Seit diesem Zeitpunkt wird der Lebensgefährtin von den beiden Kindern jeglicher Kontakt zum Betroffenen verwehrt.

Der Eintritt des Vorsorgefalls wurde am 04.09.2023 im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen. Seit 21.11.2023 war der Sohn zudem gesetzlicher Erwachsenenvertreter.

Nachdem der Sohn in dieser Funktion für den Betroffenen bei Gericht einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Lebensgefährtin (Betretungsverbot der gemeinsamen Wohnung und Annäherungsverbot) eingebracht hatte, wurde dieses Verfahren unterbrochen und die Bestellung eines Kollisionskurators aufgrund bestehender Interessenkollision angeregt.

Das Pflegschaftsgericht ordnete daraufhin die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sowie der Vorsorgevollmachten an, bestellte einen Rechtsanwalt zum einstweiligen Erwachsenenvertreter für den Betroffenen zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten und diesen Rechtsanwalt zu seinem Rechtsbeistand.

Die dagegen erhobenen Rechtsmittel der Kinder im eigenen und im Namen des Betroffenen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Das Rekursgericht führte dazu aus, dass die Entscheidung über (auch nur vorübergehende) Änderungen des Wohnortes – außerhalb notwendiger medizinischer Behandlungen – von der Vorsorgevollmacht vom 30.01.2016 nicht umfasst sei. Auch die gesetzliche Erwachsenenvertretung des Sohnes umfasse die Änderung des Wohnorts nicht. Da dem Betroffenen die Entscheidungsfähigkeit dazu fehle, sei seine Verbringung am 05.09.2023 aus seiner (österreichischen) Wohnung in die Schweiz und von dort nach Frankreich ohne seine Zustimmung und ohne die Zustimmung eines entscheidungsbefugten Vertreters unzulässig gewesen.

Hinsichtlich beider Kinder bestehe eine Interessenkollision, da sie aus der Beendigung der Lebensgemeinschaft des Betroffenen mit seiner Lebensgefährtin vor dessen Ableben als gesetzliche Erben erhebliche finanzielle Vorteile lukrieren würden. Im Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft komme nämlich die in der Schenkung auf den Todesfall getroffene Sicherstellung der Versorgung der Lebensgefährtin nicht zum Tragen, wovon die Kinder profitierten.

Infolge dieser Interessenkollision seien sie nicht geeignet, den Betroffenen in Angelegenheiten, die diese Lebensgemeinschaft betreffen, zu vertreten. Sie kämen weder als einstweilige Erwachsenenvertreter zur Bestimmung des Wohnorts des Betroffenen und der damit zusammenhängenden Organisation seiner Betreuung in Frage noch zu seiner Vertretung im Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Lebensgefährtin. Gleichermaßen sei die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung des Sohnes anzuordnen.

Diese Beurteilung erschien dem Oberste Gerichtshof nicht korrekturbedürftig, nachdem die Kinder des immerhin bereits 93‑jährigen Betroffenen jedenfalls davon profitierten, sollte die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt seines Ablebens nicht mehr aufrecht sein, und sie alles daran setzten, eine Rückkehr in den gemeinsamen Haushalt mit der Lebensgefährtin zu verhindern.

Eine Änderung des Wohnortes liege, auch wenn der Betroffene inzwischen von den Kindern wieder nach Österreich zurück und in eine andere Wohnung gebracht worden sei, schon dadurch vor, dass sie ihn mehr als ein halbes Jahr ins Ausland verbracht hatten, ohne dass der nicht entscheidungsfähige Betroffene dieser Maßnahme zustimmen hätte können. Der von ihnen veranlasste Umzug ins Ausland war vom Wirkungskreis der ihnen erteilten Vorsorgevollmacht gerade nicht umfasst.

Die Sache ist also sprichwörtlich „gerade noch einmal gut gegangen“.

Allerdings wären dem betagten Betroffenen und seiner Lebensgefährtin zweifellos eine Reihe von Unannehmlichkeiten erspart geblieben, hätten sie ihre letztwilligen Arrangements strikt geheim gehalten, von vorhersehbar streitgeneigten Schenkungsauflagen abgesehen (wann ist eine Lebensgemeinschaft noch aufrecht?) oder wenigstens keine Vorsorgebevollmächtigten aus dem engsten Familienkreis mit zwangsläufig inhärenten Eigeninteressen betraut.

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